Wir brauchen Innovationen
Deutschland gilt als Land der Innovationen. Das weltweit erste Auto meldete Carl Benz an, Johannes Gutenberg erfand den Buchdruck, Wilhelm Röntgen entdeckte die Röntgenstrahlen und Konrad Zuse entwickelte den ersten Computer. Alles bahnbrechende Erfindungen, manchmal entstanden durch zufällige Entdeckungen, die schließlich die Welt veränderten, das Leben der Menschen erleichterten und neue Perspektiven für weitere Entwicklungen eröffneten.
Von Nannette Hoffmann
Ja, sie liegen lange zurück. Aber auch heute noch sind die Deutschen erfinderisch. 2021 haben deutsche Unternehmen und Erfinder insgesamt 25 969 Patente beim Europäischen Patentamt angemeldet. Damit belegt Deutschland Platz 2 im weltweiten Vergleich – hinter den USA, aber vor Japan und China.
Deutschlands Volkswirtschaft ist eine der zehn forschungsintensivsten der Welt. Um diesen Platz zu halten, wurde schon viel investiert. 2021 steckte Deutschland 3,13 Prozent seines Bruttoinlandsprodukt in Forschung und Entwicklung. Und 75,2 Milliarden Euro haben deutsche Firmen für die eigene, unternehmensinterne Forschung und Entwicklung ausgegeben. Ein guter Schritt, aber mit Luft nach oben. Denn um diese führende Stellung nicht nur zu halten, sondern auch auszubauen, braucht es noch mehr – etwa bessere Rahmenbedingungen und marktorientierte Förderprogramme.
Doch zurück zum Punkt: Wir forschen und investieren. Deshalb blickt die LVZ Wirtschaftszeitung in dieser Ausgabe auf genau das – die zukunftsorientierten Ideen und Neuerungen.
Das Technologieunternehmen Profiroll aus Bad Düben hat zwei neue Produktionsverfahren für die Automobilindustrie entwickelt. Die Stahlwerke Feralpi bauen derzeit eine neue Fabrik, die weitgehend emissionsfrei arbeiten wird. Und in Delitzsch entsteht ein Großforschungszentrum, das die chemische Industrie nachhaltig und klimaneutral machen soll.
Aber auch auf die Investitionsbereitschaft der Betriebe werfen wir einen Blick. Wenn wir über Innovationen sprechen, fällt im gleichen Atemzug das Wort Start-ups. Diese jungen Unternehmen sind laut Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ein „essenzieller Motor für eine zukunftsfähige Gesellschaft sowie Wirtschaft“. Exemplarisch stellen wir zwei Start-ups aus Leipzig mit ihren innovativen Lösungen vor.
Im LVZ-Wirtschaftspodcast „Macher Ost“ gibt Zukunftsforscher Kai Gondlach seine Sichtweise zur Künstlichen Intelligenz wieder und beschreibt, wie sie das Leben, die Arbeit, Wirtschaft und Gesellschaft in Zukunft verändern wird.
Apropos Innovation. Die LVZ Wirtschaftszeitung rückt seit 2018 die Herausforderungen und Entwicklungen der Wirtschaft in Mitteldeutschland in den Mittelpunkt. Mit dem neuen Digitalmagazin finden Unternehmerinnen und Unternehmer jetzt noch mehr Wirtschaftsthemen – informativ – fundiert – anschaulich aufbereitet.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Spaß bei der Lektüre!
Gründer-Mut in Sachsen
Von André Böhmer
Mit Blick auf die Start-up-Landkarte im Osten ist auffälig, dass Sachsen ganz vorn mit dabei ist. Dresden, Leipzig, Chemnitz – das sind nicht nur die drei großen Sachsen-Metropolen. Hier ist auch der sprichwörtliche sächsische Gründergeist besonders häufig anzutreffen. Was wiederum auch kein Wunder ist. Denn mit den beiden Technischen Universitäten Dresden und Chemnitz und der Leipziger Business-School HHL bilden in allen drei Städten entsprechend personell und finanziell gut ausgestattete Hochschulenienrichtungen gute Bedingungen für mutige, junge Kreativ-Köpfe.
Die positven Folgen liegen auf der Hand. Mit Staffbase hat sich ein Chemnitzer Start-up mit einer großen Wachstumsrate bundesweit als Softeware-Unternehmen bereits einen Namen gemacht. Für Leipzg stehen Firmen-Namen wie Trivago, Spreadshirt und Mr. Spex, die von HHL-Absolventen gegründet wurden. Und Dresden hat Sunfire, einen 2010 gegründeten und weltweit gefragten Spezialisten für Elektrolyse-Technik. So geht sächsisch und gemeinsam mit dem thüringischen Jena sind hier quasi kleine mitteldeutsche Leuchttürme entstanden, die neben den Hotspots in Hamburg, München und Berlin durchaus Potenzial haben, um hier ein Stück Industriegeschichte entscheiden mitzuschreiben.
Dabei gibt es auch noch einen anderen Grund, warum in Sachsen und Jena die Start-up-Szene ein solch hohes Niveau hat. Und der hängt damit zusammen, dass viele (west)deutsche Großfrimen, den Osten immer noch nur als verlängerte Werkbank sehen. Die Digital-Vordenkerin Constanze Buchheim (I-Potenzials), übrigens Absolventin der HHL Leipzg, hat es in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt so formuliert: „Wo Großkonzerne keinen Hauptsitz haben, lässt sich in diesen Kontrukten auch keine Karriere machen ... Für diejenigen, die Verantwortung übernehmen wollen, ist eine Gründung deshalb meistens gar nicht so abwegig und vielmehr eine Chance, sich sozialen Status zu erarbeiten.“
Dazu kommt, dass die im Osten stärkere Akzentuierung auf dem „Wir“ auch dazu führt, dass viele Neugründungen vor allem den Fokus auf Nachhaltigkeit setzen. Das sind nicht die schlechtesten Voraussetzungen, um sich mit einem neuen Unternehmergeist und neuen Ideen in Sachsen und anderen Ost-Bundesländern am Markt zu etablieren. Natürlich müssen auch Fehlschläge einkalkuliert werden. Gründer-Mut ist ja kein Automatismus auf dem Weg zum Erfolg. Aber er ist der erste Schritt dahin.
Schädliche Engstirnigkeit
Von Ulrich Langer
Neues hat es meist schwer. Denn es birgt Unbekanntes, Ungewohntes, Unsicheres in sich. Ist also nichts für Angsthasen. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt – sagen die Unerschrockenen. Zum Glück gibt es sie. Wo stünde sonst die Menschheit heute – ohne die mutigen Forscher, Denker, Experimentierer? Kaum auszudenken. Und trotzdem wird der Drang, Neuland zu betreten, nicht selten gedämpft, eingeschränkt oder gar unterdrückt von jenen, die sich nicht so recht trauen, aber zu entscheiden haben, wohin die wissenschaftliche Entdecker-Reise gehen soll. Genau das ist die Crux bei Innovationen. Wer verbraucht schon gern unnütz Ressourcen, ohne nennenswerte Vorzüge zu fabrizieren? Trotz allem: Mehr Mut tut not. Schon der US-amerikanische Erfinder und Automobilpionier Henry Ford forderte seinerzeit: „Besorgt mir Ingenieure, die noch nicht gelernt haben, was nicht geht.“
Das heißt mit anderen Worten: Breite Fächer an Innovationen sind auszubreiten und zu pflegen statt einzelne Ideen in schmale Trichter zu pressen. Nur so gelingt es, das Tor zu neuen technisch-technologischen Zeitaltern möglichst rasch aufzustoßen. Und dies ist dringender denn je angesichts der ökologischen Erfordernisse unserer Zeit.
Deshalb ist die engstirnige, gar hemmende staatliche Bevorzugung zum Beispiel der Elektromobilität mehr als zu hinterfragen. Warum nicht sowohl immer effizientere Strom-Autos entwickeln und gleichzeitig alle anderen denkbaren und heute noch undenkbaren Antriebsmöglichkeiten mit Elan erforschen? Gleiches gilt für den Neuererdrang in der Landwirtschaft. Kurzerhand wird Gen-Forschung verboten, statt sie zu fördern, mit dem Ziel, sie nützlich und gleichzeitig unschädlich für Mensch und Umwelt zu gestalten. Wer ist denn so allwissend, Fracking, also Förderung von Erdöl und -gas aus festeren, tiefen Gesteinsschichten, als gefährliche Technologie abzutun, statt sie weiter zu testen, zu vervollkommnen, bis sie auf sicherer Basis die Energieversorgung der Menschheit befördern kann?
Gewiss, am Ende muss alles bezahlbar sein. Und da und dort wird auch der eingesetzte Aufwand nicht den gewünschten Erfolg bringen. Das ist allerdings schon seit Menschengedenken so. Gerade deswegen braucht der Fortschritt ein Klima der Neugierde, einen gesunden Geist offenherzigen Forscherdrangs. Zweifelhaftes Zögern, überzogene politische Verfemungen oder gar Verbote sind rasch der Tod toller Entwicklungen. Daher ist Stefan R. Munz, Verfahrenstechniker aus Köln, ohne Wenn und Aber zuzustimmen: „Innovation ist keine Garantie gegen das Scheitern, aber ohne Innovation ist das Scheitern garantiert.“ Oder anders ausgedrückt: Unsere wertvollsten Rohstoffe sind Innovation und Kreativität.
Wirtschaftszeitung – Das Unternehmerblatt der Leipziger Volkszeitung wirtschaftszeitung@lvz.de; www.lvz.de
Foto: Hagen Wolf (2), André Kempner
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