Ein Blick in die Kreative Szene
SpinLab, Basislager, ImpactHub: Die großen Brutstätten für Start-ups in Sachsen
Die Gründerszene in Sachsen wächst. Davon profitieren die Coworking-Stationen als Brutstätten für viele Start-ups. Was zeichnet sie aus? Wo sind ihre Stärken? Drei Gründer aus Leipzig und Dresden geben Einblicke.
Rhebo GmbH aus Leipzig
Kernleistung der Rhebo ist die Sicherstellung sowohl der Cybersicherheit als auch der Stabilität der OT- und IoT-Infrastruktur in Industrie-, Energie- und Wasserunternehmen.
c-LEecta
c-LEcta ist ein weltweit tätiges Biotechnologieunternehmen, das sich auf die Entwicklung, die Produktion und den Vertrieb von Enzymprodukten spezialisiert hat.
Faktoren für Innovation und Gründung
Was es genau braucht, um innovative Ideen zu entwickeln und welche Faktoren dabei den kreativen Denkprozess beeinflussen, erklärt Prof. Hannes Zacher, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie am Wilhelm-Wundt-Institut für Psychologie, Universität Leipzig, im Interview.
SpinLab, Basislager, ImpactHub: So ticken Coworking-Stationen in Leipzig und Dresden
Jung, innovativ, unkonventionell: Etwa jedes zweite Start-up, das in Ostdeutschland gegründet wird, arbeitet in Sachsen. Der Freistaat hängt die anderen Bundesländer bei High-Tech-Gründungen klar ab. Und viele Start-ups in Leipzig und Dresden nutzen Coworking-Stationen für erste geschäftliche Aktivitäten: Wir stellen drei der wichtigsten von ihnen vor.
Von André Böhmer
SpinLab Leipzig: Im Wettbewerb mit Paris und London
Basislager Leipzig: Aus einer Etage wurden drei Standorte
Impact Hub Dresden: Nachfragen auf allen Ebenen
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SpinLab Leipzig: Im Wettbewerb mit Paris und London
Mit Top-Platzierungen lässt es sich gut leben. Das sieht Eric Weber (35), Geschäftsführer von SpinLab – The HHL Accelerator in Leipzig, auch nicht anders. Nachdem das in der Baumwollspinnerei agierende Kreativ-Labor der jungen Wirtschaft Ende Januar in einer Studie zu Start-up-Inkubatoren europaweit unter die besten acht kam (als einziges in Deutschland), knallten in der Halle 14 die Korken.
„SpinLab steht für exzellente Bedingungen für Innovationen und Start-ups aus den Bereichen Energie und E-Health“, schrieb Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer bei LinkedIn. Ein Ritterschlag – und „vor allem eine schöne Ehrung für das Team“, sagt Weber. Der gebürtige Riesaer, der an der Uni Leipzig seinen Master (BWL) abgeschlossen und bei Professor Pinkwart an der HHL Leipzig promoviert hat, führt seit dem Start 2015 das Gründerzentrum in Lindenau.
Das SpinLab in der alten Baumwollspinnerei in Leipzig.
„Wir brauchen gute Leute vor Ort.“
Eric Weber, CEO des SpinLab
„Wir sind in Halle 14 komplett ausgelastet“, so Weber. Das sind voll vermietete 2000 Quadratmeter, bei der letzten Anmeldephase bis 31. Januar hatte sich eine mittlere dreistellige Bewerberzahl um die knapp zehn Plätze gedrängelt. In Zukunft wird dann noch größer gedacht. 2025 ist in Halle 7 eine Erweiterung geplant: Durch das von der Stadt mitgesteuerte Projekt kommen weitere 5500 Quadratmeter Fläche für Innovationen hinzu, so Weber. Der von der HHL ins Leben gerufene Accelerator (Beschleuniger) sieht sich als selbstfinanzierte GmbH vor allem als Partner für den Energie., Gesundheits- und Smart-City-Faktor. „Unsere Start-ups beraten das Who-is-Who der regionalen Wirtschaft“, sagt Weber und verweist etwa auf VNG, EnviaM, die L-Gruppe, SachsenEnergie und die Uniklinik Leipzig als Partner.
Das Erfolgsmodell SpinLab Leipzig, das auch aus den guten Kontakten zu Geldgebern und den Aufbau eines Investitionsfonds resultiert (Weber: „Start-ups wollen Zugänge zu Investoren“), ist mittlerweile auf das „RootCamp“ Hannover übertragen worden. In Niedersachsen aber mit den Schwerpunkten Agrar- und Bioökonomie-Themen. Und der Blick geht weiter – international nach Osteuropa, weil es dort einen starken Zugang zu IT-Kräften gebe. „Wir haben eine Standortanalyse in 30 Städten durchgeführt“, sagt Weber.
2021 habe das jetzt vom russischen Angriffskrieg heimgesuchte Kiew ganz vorn gelegen. Aber auch Krakau, Breslau und Budapest hätten Potenzial. Das werde jedoch nicht funktionieren, wenn man nur ab und an mal hinfliegt, so der SpinLab-Chef. „Wir brauchen gute Leute vor Ort.“ Auch in Leipzig sei das nicht anders. Es gehe um die besten Köpfe der Gründerszene. „Da stehen wir im Wettbewerb mit Berlin, Paris und London.“
Basislager Leipzig: Aus einer Etage wurden drei Standorte
Zum Basislager-Start, im April 2015, waren es eine Etage und 20 Arbeitsplätze im Peterssteinweg 14. Das von der Leipziger Verlags- und Druckereigesellschaft (LVDG) gegründete Basislager war das erste professionell betriebene Leipziger Coworking Space.
In knapp acht Jahren hat es sich neben dem SpinLab als einer der wichtigsten Player der Gründerszene einen Namen gemacht. Aus einer Etage wurden drei Standorte – das komplette Haus im Peterssteinweg 14, in der Karl-Liebknecht-Straße 14 und am Floßplatz. „Und aus 20 Arbeitsplätzen wurden aktuell rund 250“, sagt Leiter Marco Weicholdt (35), ein Leipziger, der in Schleußig aufwuchs und zunächst als Marketing-Chef das Basislager von Anfang an mit aufgebaut hat.
Basislager
„Wir verkaufen Flexibilität und bieten einen Full-Service, damit sich Gründer auf ihre Geschäftsidee konzentrieren können.“
Marco Weicholdt, Leiter des Basislager in der Leipziger Südvorstadt
Mit seinem Team von fünf Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen managt Weicholdt das Basislager. Dazu kommen vier Leute, die sich um die Organisation des „MACHN“-Festivals kümmern. Nach der Premiere 2022 findet das Treffen der mitteldeutschen Start-up-Szene diesmal Ende Juni auf dem Spinnereigelände („Business meets Backstein“) in Kooperation mit dem SpinLab statt. „Wir sind ein offener Ort, an dem Experten aus verschiedenen Bereichen aufeinander treffen und Synergien entstehen“, sagt Weicholdt. Innerhalb von 14 Tagen könne man einen Arbeitstisch mieten, Produktivität stehe an erster Stelle, so der Leiter. Die Kündigungsfrist liege bei 14 Tagen, aktuell seien alle Büros vergeben. „Wir verkaufen Flexibilität und bieten einen Full-Service, damit sich Gründer auf ihre Geschäftsidee konzentrieren können.“
Die Mieterschaft in den drei Häusern der Südvorstadt ist dabei auffällig heterogen. Neben IT-Experten, die sich mit E-Commerce oder IT-Security beschäftigen, zählen App-Entwickler genauso dazu wie Blogger, SEO-Optimierer, Übersetzer und Anwälte. Zu den Erstmietern gehörte 2015 das Start-up „Pro Copter“, das kreative Lösungen zu Drohnen anbietet, inzwischen sich vergrößert hat und ausgezogen ist.
Anfragen für einen Platz im Basislager kommen von überall her. „Viele wollen hier arbeiten und die Lebensqualität von Leipzig nutzen“, sagt Weicholdt. Die Lage in der Südvorstadt sei da ein großes Plus. Finanziert werde das Basislager über die Mieteinnahmen, Workshops und über den Eventbereich durch Fremdvermietung. Ein Erfolgsmodell – auch für die Madsack Mediengruppe, zu der die LVZ gehört. Die Madsack-Töchter in Rostock und Kiel („Fleet 7“) sind beim Coworking dem Leipziger Beispiel gefolgt.
Impact Hub Dresden: Nachfragen auf allen Ebenen
Wer kurz nach der ersten harten Corona-Welle in Sachsen einen zweiten Standort eröffnete, der brauchte vor allem zwei Dinge: Mut und Visionen. Lorenz Weil (30), Geschäftsführer von Impact Hub Dresden, hatte beides. Im Mai 2021 ging er mit der Galerie in der Dresdner Altstadt am Postplatz einen neuen unternehmerischen Schritt.
1000 Quadratmeter Fläche als Zentrum für nachhaltigen Wandel an der Elbe, mit dem 700 Quadratmetern am Standort Hauptbahnhof einer der führenden Player in der Landeshauptstadt. Seit Gründung sind neben dem Coworking auch Events/Workshops (wie Startup Safari Dresden/Mitteldeutschland, Hackathons wie den Climathon, etc.) im Angebot.
„Ich wollte immer gestalten und aufbauen“, sagt der Hesse, der 2013 am Tag der Deutschen Einheit aus seinem etablierten Umfeld aufbrach – und in den Osten ging. Das Politikwissenschaftsstudium an der TU Dresden war dann aber zunächst nicht die Erfüllung. „ich wollte mehr praktisch arbeiten.“ Und so landete Weil 2017 als Community-Manager und seit April 2021 als Geschäftsführer beim Impact Hub Dresden.
Impact Hub Dresden
„Unser Spirit kennt keine Grenzen.“
Lorenz Weil, Geschäftsführer des Impact Hub Dresden
Das internationale Label, das für eine Community aus Social Entrepreneurs steht ist an mehr als 100 Standorten in über 50 Ländern auf fünf Kontinenten vertreten, darunter in der Landeshauptstadt und in Leipzig (Naumburger Straße) auch in Sachsen. „Das Impact Hub Netzwerk ist ein sogenannt Miteigentümer-Netzwerk und ähnelt einer internationalen Genossenschaft“, sagt Weil. „Wir sind als GmbH unternehmerisch komplett eigenständig, teilen aber Vision, Werte und Branding auf globaler Ebene. Ein reger Austausch zu anderen Hubs und dem globalen Team in Wien versteht sich von selbst.
Wie die großen Coworking-Stationen in Leipzig, kann auch Weil für Dresden von einem erfolgreichen Trend sprechen. Man merke zwar noch die Corona-Spätfolgen und die ausgebliebenen Umsätze 2022, so der Geschäftsführer. Und auch 2023 sei durch steigende Energiekosten noch ein unsicheres Jahr. „Aber wir haben wieder Nachfragen auf allen Ebenen.“ Am bewährten Mieter-Mix wolle man deshalb sowohl für den Standort Hauptbahnhof als auch für die Altstadt-Galerie festhalten: Ein Drittel der Fläche für Freelancer, ein Drittel für Start-ups und ein Drittel für etablierte Unternehmen.
Den Ritterschlag für Weil und sein Team gab es im Sommer 2020. Der renommierte, börsennotierte Heiz- und Klimatechnikhersteller Viessmann (Allensdorf/Hessen) hatte ein Forschungszentrum in Dresden für Wärmepumpen in Planung. „Sie konnten bei uns super ihr Entwicklungsteam aufbauen und erste Projekte starten, damit Viessmann gleich nach Fertigstellung das Entwicklungszentrum 2022 durchstarten konnte“, sagt der Impact-Hub-Chef über den Coup. Die Ausstrahlung der TU Dresden als einzige ostdeutsche Exzellenz-Uni habe da natürlich mit geholfen, so Weil. Mit einem anderen Image seiner Stadt ist er dagegen unzufrieden. „Wie schafft Dresden eine positive Wahrnehmung“, fragt er mehr rhetorisch. Weil er weiß, dass die Internationalität in der Landeshauptstadt nicht gerade selbstverständlich ist. Natürlich sei das schädlich, so Weil. „Unser Spirit kennt keine Grenzen. Denn viele Start-ups, die bei uns angefangen haben, sind längst international unterwegs.“
Rhebo GmbH aus Leipzig: mit der Gründungsidee die Zeichen der Zeit erkannt
Nicht immer ist eine tolle Idee schon ausreichend, um mit einem neuen Produkt daraus am Markt Fuß zu fassen. Die Rhebo GmbH aus Leipzig erkannte schon 2014, dass es zukünftig um den digitalen Schutz vernetzter industrieller Anlage gehen wird, beispielsweise im Energie- und IIoT-Sektor. Doch anfänglich war die Zeit noch nicht reif dafür. Dies änderte sich mit den zunehmenden feindlichen Aktivitäten von Cyberkriminellen und staatlichen Akteuren in den vergangenen zehn Jahren drastisch.
Von Jochen Reitstätter
Bereits 2014 die Zeichen der Zeit erkannt: mit digitalen Sicherungssystemen schützt die Rhebo GmbH kritische Infrastrukturen in Deutschland. Firmengründer Frank Stummer, Martin Menschner und Klaus Mochalski (v.li.).
Know-how und das richtige Gespür, welche Bedürfnisse der Markt in Bezug auf industrielle Cybersicherheit einmal haben wird, begründeten letztendlich den wirtschaftlichen Erfolg der Rhebo GmbH als Anbieter von Systemen der Cybersicherheit und digitaler Angriffserkennung in industriellen Anlagen, insbesondere für den Bereich der kritischen Infrastruktur. „Wir haben uns ursprünglich auf den Bereich der automatisierten Fertigung konzentriert, das hat weniger funktioniert“, erinnert sich Firmengründer und CEO der Rhebo GmbH, Klaus Mochalski.
„Wir haben dann schnell erkannt, dass die gefährdeten Bereiche zunehmend in den kritischen Infrastrukturen liegen, beispielsweise bei Unternehmen der Energieversorgung, Netzbetreibern, Wasserunternehmen“, so Mochalski. Man habe sich bei der Weiterentwicklung des Produkts dann gezielt an den Anforderungen dieser Wirtschaftssektoren orientiert, ohne jedoch die automatisierte Industrie aus den Augen zu verlieren. Zusammen mit umfassenden Sicherheitsservices, die den anhaltenden Fachkräftemangel in vielen Organisationen adressiert, brachte das den Durchbruch für Rhebo.
Staat definiert Anforderungen an digitale Sicherheitssysteme
Die zunehmende digitale Vernetzung, steigende Gefahren aus dem Bereich der organisierten Cyberkriminalität bis hin zu Formen der hybriden Kriegsführung schaffen eine digitale Umgebung in Industrieunternehmen, Kommunen und kritischen Infrastrukturen, die es mehr denn je zu schützen gilt. Beispiele für diese Bedrohung gibt es mittlerweile zuhauf.
Eines der bekanntesten war 2021 der Hackerangriff auf den Landkreis Anhalt-Bitterfeld, der über Monate zu starken Einschränkungen der Verwaltungsarbeit der Kommune führte und teils dauerhafte Verluste an Daten verursachte. Im Juni 2022 wurde der deutsche Konzern Entega Opfer eines Ransomware-Angriffes. Auch dessen Tochterunternehmen e-netz Südhessen, das mehr als 1 Million Menschen mit Energie versorgt, war bedroht. Rhebo unterstützt die e-netz damals binnen 24 Stunden dabei sicherzustellen, dass die industriellen Netzwerke nicht betroffen sind.
Was ist Operational Technology (OT) und warum ist sie gefährdet?
Operational Technology (OT) bezeichnet Hard- und Software-Systeme zur automatisierten Steuerung vernetzter industrieller Anlagen. Die Abkehr vom autonomen Betrieb von Anlagen und deren Einbindung in IT-Netzwerke erhöht die Bedrohungsrisiken erheblich und macht Systeme zur Angriffserkennung in industriellen Anlagen immer wichtiger. Hinzu kommt, dass OT-Komponenten in der Vergangenheit in der Regel keine oder nur unzureichende eigene Sicherheitsmechanismen besaßen.
Beim OT-Monitoring mit Anomalieerkennung, wie sie die Rhebo GmbH anbietet, werden die ablaufenden Prozesse und jedwede Kommunikation zwischen OT-Komponenten überwacht und Abweichungen in Echtzeit detektiert. Dadurch können Veränderungen in der Kommunikation, die auf Angriffe zurückzuführen sind, frühzeitig erkannt und der Angriff gestoppt werden.
„In Deutschland sind wir beim Schutz unserer kritischen Infrastruktur noch teils stark hinterher“, sieht Mochalski die große Gefahr im Falle internationaler Spannungen. „Aktuell hört man wenig von Angriffen und Systemausfällen. Doch zum Beispiel der Angriff auf die Deutsche Bahn im vergangenen Jahr mit Zugausfällen in ganz Norddeutschland zeigt die große latente Gefahr, die über vielen Bereichen der kritischen Infrastruktur liegt“, so Mochalski.
Wer sich bereits für Cyberangriffe in Stellung gebracht hat, kann nicht vollumfänglich ermittelt werden, jedoch: „Wir müssen deutlich mehr in die Sicherung unserer lebenswichtigen Systeme investieren! Auch der Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines hat gezeigt, dass selbst der Übergang von digitalen Angriffen zu physischen Anschlägen zur Realität unserer Zeit gehört.“
Einheitliche europäische Regelungen
Bereits rund ein Drittel des deutschen Stromnetzes wird bereits über Systeme und Services der Rhebo GmbH aus Leipzig abgesichert. Der Anteil soll sich die nächsten Jahre noch vergrößern, beispielsweise durch Kooperation mit Anbietern von IT-Sicherheitslösungen, so die Leipziger OT-Spezialisten.
Hilfreich beim Auf- und Ausbau des europäischen Geschäfts sind für Rhebo die einheitlichen Regelungen in Bezug auf digitale Sicherheitsanforderungen für kritische Infrastrukturen, sodass OT-Sicherheitslösungen leichter übertragbar sind.
Im Team geht’s leichter
Auf die Anfänge der Rhebo zurückblickend rät Mochalski zukünftigen Start-ups und Unternehmensgründern eine klare Teamaufstellung mit Partnern, die alle Aspekte rund um das eigene Produkt abdecken. „Auch Unterstützung in entsprechenden Communities suchen ist sinnvoll, so können Fehler vermieden und vorhandenes Know-how genutzt werden“, rät der Gründer. Wichtig sei, sich nicht von Ängsten zum Beispiel vor überbordender Bürokratie leiten zu lassen – das sei am Ende gar nicht das Problem. „Einfach machen“ ist immer noch das beste Erfolgsrezept, bekräftigt der heutige CEO.
„Für Start-ups sind Netzwerke wie Katalysatoren“
Interview mit Dr. Marc Struhalla, Gründer und Managing Director von c-LEcta
Von Jochen Reitstätter
Dr. Marc Struhalla gelang der Sprung von der Uni in den Weltmarkt – mit Risikokapital, Netzwerken und einer Spur Übermut und Begeisterung für Neues.
Mit welchen Innovationen ist die Firma 2004 an den Markt gegangen?
Dr. Marc Struhalla: Wir haben c-LEcta 2004 gegründet, mit einer vielversprechenden patentierten Technologie, um Enzyme zu screenen. Damit sollte es viel besser gelingen, natürliche Enzyme zu identifizieren und anschließend gezielt so zu verändern, dass sie in der Industrie zum Einsatz kommen können, zum Beispiel in der Medikamenten- oder Lebensmittelherstellung.
Wie entstand diese Idee und wie wurde sie zu einem Produkt?
Die Innovation war Gegenstand von Forschungsarbeiten an der Universität Leipzig, wo ich am Lehrstuhl für Biochemie studierte und anschließend promovierte. Direkt nach der Gründung lag der Schwerpunkt zunächst auf R&D Dienstleistungen [Forschung und Entwicklung]. Dies änderte sich, nachdem wir erste Kooperationen mit Industrieunternehmen eingegangen sind. Hier haben wir den Bedarf nach gezielt modifizierten Enzymen gesehen und auch erkannt, dass wir ihn mit unserer innovativen Technologie optimal bedienen können.
Wir haben dann unser Geschäftsmodell sukzessive in Richtung Produktunternehmen ausgerichtet, das eigene Enzymprodukte nicht nur entwickelt, sondern auch produziert und selbst vermarktet. Bereits 2015 konnten wir mit eigenen Enzymprodukten mehr als 1Million Euro Umsatz erzielen. Der Durchbruch gelang uns schließlich mit dem Enzymprodukt DENARASE, das beispielsweise in der Produktion von Impfstoffen seinen Einsatz findet und mittlerweile an über 400 Kunden in mehr als 40 Länder geliefert wurde.
Welche Voraussetzung, persönlich wie unternehmerisch waren entscheidend, um die Start-up-Phase von c-LEcta erfolgreich zu meistern?
Gestartet sind wir mit einer patentierten Idee und einer Vision, eine Vorreiterrolle in der biotechnologischen Enzymentwicklung einzunehmen. Entscheidend war in der ersten Startphase die Unterstützung durch die Wirtschaftsförderung von Land und Stadt sowie durch die Universität Leipzig. Etwas später war es dann entscheidend, dass wir institutionelle Investoren gewinnen konnten, die uns mittelfristig Planungssicherheit und notwendige Investitionen ermöglich haben, zum Beispiel in eine eigene Produktionsanlage.
Was ist für junge Start-ups am wichtigsten, damit aus neuen Ideen auch neue innovative Produkte werden?
Größter Vorteil für uns war, dass wir unsere an der Uni erworbenen Forschungsergebnisse direkt für unsere Firmengründung nutzen konnten. Sie stellten für uns das unverzichtbare Startkapital dar. Wir konnten in der ersten Phase auch Labore, Einrichtungen und Geräte der Uni nutzen. Das hat uns sehr geholfen.
Später waren es dann Kontakte und Netzwerke, die uns weitere Türen geöffnet haben. Für Start-ups sind es gerade die Netzwerke, die beim Aufbau entscheidend sind. Durch die Teilnahme an Innovationswettbewerben konnten wir auf uns aufmerksam machen und weitere Förderer finden. Wichtig ist dann aber auch der Zugriff auf Investitionskapital, damit man sich in Ruhe um den Aufbau seines Kerngeschäfts kümmern kann.
Hightech für Biotechnologieprodukte für den Weltmarkt, entstanden aus einer Idee vor knapp 20 Jahren unter Studenten.
Was bedeutet „Optimierung von Enzymen“ – am Beispiel des Enzyms Phytase in der Futtermittelproduktion
Für einen Futtermittelhersteller hat c-LEcta das Enzym Phytase optimiert, das bei der Herstellung von Futtermitteln eingesetzt wird. Phytase setzt Phosphat aus dem natürlichen Pflanzeninhaltsstoff Phytinsäure frei. Dadurch wird einerseits die Menge an Phosphat reduziert, die einem Futtermittel zugesetzt werden muss.
Zum anderen wird die Verwertung von Zink, Calcium und weiteren Spurenelementen im Futtermittel verbessert. Ergebnis: eine höhere Nährstoffverwertung durch die Tiere, weniger Phosphatbelastung der Umwelt.
Sie haben sich für Leipzig als Unternehmensstandort entschieden. Was waren die Gründe, und was könnte in der sächsischen Metropole und in Deutschland für Neugründer noch besser sein?
Als Universitätsausgründung der Uni Leipzig lag es nahe, auch hier unseren Unternehmenssitz zu wählen. In Leipzig entwickelt sich seit vielen Jahren ein Life Sciences Standort mit zahlreichen Unternehmen der Biotechnologie oder Medizin. Hier fühlen wir uns gut aufgehoben und auch in unseren Bedürfnissen verstanden.
Zudem ist Leipzig eine weltoffene und bunte Stadt, die auch attraktiv als Lebensmittelpunkt für Expertinnen und Experten aus aller Welt ist. Bei uns arbeiten Menschen aus 18 Ländern, die wir für uns gewinnen konnten und für die Leipzig zur zweiten Heimat werden kann. Besser geht ja bekanntlich immer, aber Leipzig kommt schon sehr nahe ans Optimum heran. Wir fühlen uns hier am Standort rundum wohl.
Welche langfristigen Entwicklungsziele gibt es?
Wir sind seit 2004 auf dem Standort Alte Messe ansässig; zunächst in der BioCity und dann 2012 im damals neu gebauten BioCube. 2025 werden wir in direkter Nachbarschaft einen Neubau beziehen, der komplett auf die Bedürfnisse eines modernen, wachsenden Unternehmens der Biotechnologie ausgerichtet ist. Hier wollen wir weiter wachsen.
Momentan beschäftigen wir über 130 Angestellte. Ende 2025 peilen wir 200 an. Und wir wollen weiter erfolgreich Enzymprodukte entwickeln und vermarkten. Mit unserem Mehrheitsgesellschafter Kerry haben wir seit 2022 einen starken internationalen Partner an der Seite, mit dem wir in Zukunft weitere internationale Märkte erschließen können.
„Herausfordernde Aufgaben führen zu höherer Kreativität und Innovation“
Interview mit Prof. Dr. Hannes Zacher, Vorsitzender Bereich Arbeits- und Organisationspsychologie des Wilhelm Wundt Instituts für Psychologie, Universität Leipzig
Von Jochen Reitstätter
Was es genau braucht, um innovative Ideen zu entwickeln und welche Faktoren dabei den kreativen Denkprozess beeinflussen, erklärt Prof. Hannes Zacher, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie am Wilhelm-Wundt-Institut für Psychologie, Universität Leipzig, im Interview.
Bill Gates von Microsoft, Margarete Steiff von den gleichnamigen Kuscheltieren oder Carl Benz sind berühmt geworden, weil sie etwas Bahnbrechendes erfunden oder eine Idee marktfähig gemacht haben. Warum kommen einige Menschen auf tolle Ideen, viele andere aber nicht?
Prof. Dr. Hannes Zacher: In der psychologischen Forschung verstehen wir unter Kreativität die Entwicklung neuer und nützlicher Ideen, zum Beispiel neue und nützliche Produkte oder Prozesse in Unternehmen. Für Innovation ist Kreativität eine notwendige, aber nicht ausreichende Voraussetzung. Neben Kreativität sind auch die Umsetzung, Einführung oder Anwendung dieser neuen und nützlichen Ideen zum Wohle einer Gruppe, Organisation oder der Gesellschaft von Bedeutung. Kreativität wird von bestimmten personenbezogenen Faktoren, Umgebungsfaktoren und dem komplexen Zusammenspiel dieser Faktoren beeinflusst.
Die Forschung zeigt, dass bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, wie Offenheit für Erfahrungen und Lernorientierung, aber auch Wissen, positive Stimmung und intrinsische Motivation wichtige Einflussfaktoren auf der Personenseite sind. Der Arbeitskontext muss Kreativität fördern, zum Beispiel durch herausfordernde Aufgaben, Feedback, Unterstützung durch Vorgesetzte und Kollegen, und ein Team- und Organisationsklima für Innovation.
„Kreativität, Risikofreude, Motivation und Durchhaltewillen – all dies zählt gemeinhin zu innovationsförderlichen Eigenschaften bei Menschen.“
Prof. Hannes Zacher, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie am Wilhelm-Wundt-Institut für Psychologie, Universität Leipzig
Welche persönlichen Faktoren, aber auch die Erziehung, Einstellungen oder sozialstrukturelle Faktoren wie Bildung, sozialer Status oder Einkommen wirken sich auf Innovationsfreude aus?
Sozioökonomische Faktoren wie Bildung und Einkommen können einen wichtigen indirekten Einfluss auf Kreativität haben, weil sie dazu beitragen, dass Menschen relevantes Wissen und Fertigkeiten erwerben und kreativitätsförderliche Motivation entwickeln können, wie zum Beispiel das Bedürfnis, über komplexe Probleme nachzudenken und sie zu lösen.
Eltern und Lehrer, die Kinder frühzeitig dazu anregen zu experimentieren und es ihnen ermöglichen, Dinge auszuprobieren, können so Kreativität fördern. Andererseits ist Innovation auch häufig „aus der Not geboren“ – das heißt, gerade weil es einem an etwas fehlt oder man auf bestimmte Probleme stößt, werden kreative Ideen entwickelt und umgesetzt, um mit diesen Missständen umzugehen. Kreativität, Risikofreude, Motivation und Durchhaltewillen – all dies zählt gemeinhin zu innovationsförderlichen Eigenschaften bei Menschen.
Wie können diese gefördert werden? Kann jeder ein kreativer und innovativer Mensch werden?
Man muss zwischen angeboren, eher stabilen und erlernbaren, eher dynamischen Einflussfaktoren auf Kreativität und Innovation unterscheiden. Bestimmte geistige Fähigkeiten und Persönlichkeitseigenschaften sind schwieriger zu verändern als zum Beispiel Wissen, Einstellungen, Motivation und Stimmung.
Es gibt Kreativitätstrainings, durch die die Entwicklung neuer und nützlicher Ideen erwiesenermaßen gefördert werden kann. Andererseits wissen wir aus der Forschung, dass geistig herausfordernde Aufgaben, Feedback, positive Stimmung am Arbeitsplatz und Führungskräfte, die ihre Mitarbeiter intellektuell anregen, zu höherer Kreativität und Innovation führen.
Knapp 26.000 europäische Patentanmeldungen kamen 2020 aus Deutschland - so viele wie aus keinem anderen europäischen Land.
Welche Rolle spielt das gesellschaftliche Umfeld und die Kultur in einem Land? Viele Nobelpreisträger kommen aus den USA, die scheinbar ein förderlicheres Umfeld bieten als Deutschland.
Wenn man die Einwohnerzahl berücksichtigt, hat Deutschland bisher relativ mehr Nobelpreisträger hervorgebracht als die USA. Das Umfeld und die nationale Kultur spielen auf jeden Fall eine wichtige Rolle, weil sie Wissen und Motivation beeinflussen und Menschen die Möglichkeiten geben, kreativ sein zu können, unter anderem in Ausbildung und Beruf. Dazu gehört zum Beispiel der Zugang zu Bildung unabhängig vom Einkommen der Eltern, aber auch eine eher individualistische, risikofreudige und unsicherheitstolerante nationale Kultur.
Was braucht es, damit aus einer Idee eine Innovation wird?
Gute Ideen werden vor allem von einzelnen Personen oder kleineren Teams entwickelt. Für Innovation sind neben umsetzungsfreudigen Personen mit hoher Eigeninitiative weitere Ressourcen notwendig, wie zum Beispiel Zeit, Geld, Unterstützung, Materialien und soziale Netzwerke. Meinen Studierenden erzähle ich immer von Art Fry, der als Mitarbeiter der Klebstofffabrik 3M in den 1970er-Jahren die Post-It-Notes erfunden hat. Ihn hat es gestört, dass im Kirchenchor immer seine Zettel aus dem Liederbuch gefallen sind. Seine Vorgesetzten wollten die von ihm erfundenen Klebezettel aber nicht auf den Markt bringen. Erst als er die Prototypen an die Sekretärinnen im Unternehmen verteilt hat, die sie begeistert verwendet haben, waren die Vorgesetzten überzeugt. Mittlerweile sind die Post-Its ein Millionengeschäft.
Welches Umfeld benötigen Startups für eine erfolgreiche Marktteilnahme mit neuen Produkten?
Ein innovationsfreundliches Umfeld auf mehreren Ebenen. Eine bildungs- und risikofreudige Gesellschaft, aus der neue Mitarbeiter rekrutiert werden können. Netzwerke und Kooperationen mit anderen Unternehmen, von denen sie lernen können. Führungskräfte, die sowohl Raum zum Experimentieren lassen als auch die Umsetzung von guten Ideen tatkräftig unterstützen. Die Forschung zeigt zudem, dass sowohl klassische Trainings, in denen vermittelt wird, wie man einen Business Plan erstellt, als auch psychologische Unternehmertrainings, in denen eigeninitiatives Verhalten gestärkt wird, sehr wirksam sind.
Was machen innovationsfördernde Strukturen in Unternehmen aus, welche Rolle spielt das Klima und die Kultur in einem Betrieb?
Organisationspsychologische Studien zeigen, dass ein Unternehmensklima, das sich durch Reflexion und Eigeninitiative auszeichnet, mit mehr Kreativität und Innovation einhergeht. Außerdem spielt ein Klima psychologischer Sicherheit eine große Rolle: können Mitarbeiter neue Ideen und konstruktive Vorschläge im Team äußern, ohne dass sie dafür schief angeschaut oder sogar bestraft werden.
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Wirtschaftszeitung – Das Unternehmerblatt der Leipziger Volkszeitung wirtschaftszeitung@lvz.de; www.lvz.de
Fotos: Kostiantyn/Adobe Stock, Vasyl/Adobe Stock, dpa/Sebastian Willnow, Nora Börding, André Kempner, www.robertlohse.de, IHD, Medial Mirage - Matthias Möller, Susann Nuernberger, Eric Kemnitz.com, Universität Leipzig/Swen Reichhold | Quellen: BMWK
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