Wissenschaft statt Orakeln
Wie Zukunftsforscher mithilfe klassischer Forschungsmethoden Entwicklungen prognostizieren – und damit gefragte Unternehmensberater werden
Von Susanne Reinhardt
Viele Menschen würden gern einen Blick in die Zukunft werfen können. Was nach Glaskugel und Kartenlegen klingt, ist seit einigen Jahren eine interdisziplinäre Forschungsrichtung: die Zukunftsforschung. Dabei handelt es sich nicht um Esoterik, sondern um methodenbasierte Überlegungen zu Fragen möglicher zukünftiger Entwicklungen.
Zukunftsforscher wie der Leipziger Kai Gondlach ziehen je nach Thema Experten auf den entsprechenden Gebieten – beispielsweise Textilindustrie oder erneuerbare Energien – zu Rate und entwerfen mögliche Szenarien für die Entwicklung in den nächsten fünf, zehn oder auch 50 Jahren. Immer mit dem Ziel, sich frühzeitig auf die prognostizierten Entwicklungen einstellen zu können und Lösungen für etwaige Probleme zu finden.
Die Hosts Marco Weicholdt und Susanne Reinhardt sprechen in der aktuellen Folge des Wirtschaftspodcasts Macher Ost mit Kai Gondlach über mögliche Entwicklungen in der Zukunft. Sie reden unter anderem über die Themen …
… Künstliche Intelligenz (KI)
„KI birgt auch Gefahren, da sie nach meinem moralischen Empfinden nicht immer gut eingesetzt wird, beispielsweise bei Kampfrobotern. Aber grundsätzlich birgt sie ein großes Potenzial, kann uns Arbeit abnehmen, zum Beispiel in der Dokumentation von Projekten. Somit werden Ressourcen für andere, wichtigere Aufgaben frei. Auch in der Nachhaltigkeit sehe ich ein großes Potenzial für den Einsatz Künstlicher Intelligenz.“
… verzerrte KI-Anwendungen
„Wenn diese Trainingsdaten fehlerhaft oder gebiast, also verzerrt sind, dann gibt es die absurdesten Beispiele. [...] Prototypen für fahrerlose Transportsysteme beispielsweise erkennen wahnsinnig gut erwachsene Menschen – aber keine Kinder. Weil in dem Umgebungsumfeld von Intralogistik auf einem Werksgelände vielleicht wenige Kinder rumlaufen. Deswegen haben sich die Ingenieure oder Ingenieurinnen gedacht ,Brauchen wir jetzt nicht reinprogrammieren’ oder ,Brauchen wir keine Trainingsdatensätze für’. Und das ist natürlich schlecht, wenn man den Algorithmus später in ein Fahrzeug packen würde, in dessen Umfeld auch mal Menschen kleinerer Körpergröße rumlaufen.“
„Grundsätzlich sollten Unternehmer und Unternehmerinnen keine Angst vor neuen Technologien haben. Wichtig ist, dass sie sich früh mit ihnen befassen und auf Auswirkungen der Entwicklungen vorbereiten.“
Kai Gondlach, Zukunftsforscher
… Nachhaltigkeit
„Das Lieferkettengesetz beispielsweise, über das bestimmt viele Unternehmer und Unternehmerinnen stöhnen, ist eine riesige Chance, dass Unternehmen sich nachhaltiger aufstellen müssen; sowohl in sozialer als auch ökonomischer und ökologischer Sicht. Innovative Herangehensweisen sind wichtig und werden auch vom Kunden belohnt werden. Auch ,Purpose GmbH’-Modelle oder Genossenschaften sind wieder voll im Kommen.“
… Innovationen
„Grundsätzlich sollten Unternehmer und Unternehmerinnen keine Angst vor neuen Technologien haben. Wichtig ist, dass sie sich früh mit ihnen befassen und auf Auswirkungen der Entwicklungen vorbereiten. Wenn man sich rechtzeitig mit Innovationen befasst, kann man sie immer auch positiv nutzen.“
… Fachkräftemangel
„2034 knallt es, eher schon 2031: Die Babyboomer sind dann im Ruhestand und durch die Einführung der Anti-Baby-Pille gab es zudem einen Rückgang der Geburtenrate. Darauf ist niemand vorbereitet, Arbeitgeber nicht, Behörden nicht, die Agentur für Arbeit nicht. Dabei muss man nur ein bisschen rechnen, um darauf zu kommen. Was das für das Recruiting und die Digitalisierung schon heute bedeutet und wie dann die Lücke von 20 Prozent in der Belegschaft geschlossen werden soll, darüber denkt kaum jemand nach.“
… Energiespeicherung
„Sobald es für erneuerbare Energien ausreichend Speichermöglichkeiten gibt, wird Strom kostenlos werden. Ich schätze etwa 2040 wird das der Fall sein.“
Aktuelle Folge des Podcast Macher Ost jetzt hören:
Podcast Macher Ost
Eine Region zwischen traditioneller Industrie und origineller Start-up-Szene, getragen von hemdsärmeligen Unternehmern und modernen Gründerinnen. Das ist Mitteldeutschland! Im Wirtschaftspodcast der Leipziger Volkszeitung stellen Redakteurin Susanne Reinhardt und Start-up-Experte Marco Weicholdt Menschen vor, die die Region mit ihrem Engagement und ihrem Enthusiasmus prägen. Alle vier Wochen sprechen sie mit Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Forschung, Industrie und Kultur – mit Menschen, die den Osten machen.
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Wirtschaftszeitung – Das Unternehmerblatt der Leipziger Volkszeitung wirtschaftszeitung@lvz.de; www.lvz.de
Fotos: André Kempner, Geralt/pixabay.com | Video: André Kempner
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