Damit Glas nicht mehr zersplittert
Die Freiberger Firma Revisalt hat an DDR-Vorläufer angeknüpft und Verfahren weiterentwickelt / Nachhaltigkeit steht im Mittelpunkt
von Ulrich Langer
Scherben bringen Glück – heißt es im Volksmund. Nicht für Michael Heidan. „Zumindest wenn die Bruchstücke aus Glas sind“, meint der Chef der Freiberger Firma Revisalt, der zusammen mit seinem Geschäftsführerkollegen Martin Groß das 2022 gegründete Unternehmen leitet.
„Aber es gibt ja auch noch Scherben aus Porzellan“, fügt Heidan scherzhaft hinzu. Dass er Glasbruch nicht so mag, liegt vor allem an dem, worauf sich seine Firma konzentriert: „Wir haben ein Verfahren entwickelt, mit dem Glasprodukte herstellbar sind, die wesentlich fester werden und dabei auch noch deutlich weniger Energie und Materialien verwenden und fast nicht mehr kaputtgehen.“ Zwar zersplittere früher oder später bei entsprechendem Druck jedes Material, „allerdings geht es bei uns um hochfestes Glas für Massenprodukte – das deutlich unzerbrechlicher ist“, kommt der gebürtige Radebeuler ins Schwärmen. DDR-Bürger dürften sich noch gut an jene Biergläser erinnern, die in den 1980er-Jahren die ostdeutschen Gaststätten eroberten, weil sie nicht so schnell zu Bruch gingen. Und hieran knüpften die Freiberger an.
Die Gründer: (von links nach rechts) Michael Heidan, Dr.-Ing. Martin Groß, Dr.-Ing. Thomas Voland, Robert Wohlfarth, Martin Herrmann
Die Vision von Revisalt: hochfestes Glas für Massenprodukte zu realisieren.
Langer Weg nach Sachsen
So kurz, wie es hier klingt, ist für Heidan der Weg in die sächsische Bergstadt allerdings nicht gewesen. Nach dem Studium in Bautzen zum Maschinenbauingenieur ging er seine ersten beruflichen Schritte bei verschiedenen Firmen in Westdeutschland. 1997 machte er sich selbstständig, gründete ein Ingenieurbüro in Wiesbaden und agierte hier 18 Jahre lang im Maschinenbau, kreierte eigene Entwicklungen und kann inzwischen an die 300 Patentveröffentlichungen vorweisen.
Zum Beispiel entwickelte er einen speziellen Schiebedachmechanismus für Autos, wobei mit einem einzigen Antrieb sowohl Dach als auch Sonnenschutz elektrisch bewegbar sind. „In Deutschland fand ich keinen Händler, der sich dafür interessierte. Im chinesischen Wuhan allerdings schon.“ Dort engagierte er sich in einem Joint-Venture, das Prototypen seiner Erfindung herstellte. In der Folge klapperte er deutsche Firmen ab, um sie dafür zu begeistern und wurde bei der BOS GmbH in Ostfildern nahe Stuttgart fündig. „Inzwischen sind diese Schiebedächer weltweit im Einsatz, etwa in Fahrzeugen von BMW, Audi und Volvo“, erzählt der verheiratete Vater zweier Töchter.
Dass er schließlich in Freiberg landete, verdankt er mehr oder weniger seiner Frau Lisa. Sie hatte einen Online-Handel für Trinkflaschen eröffnet und sagte eines Tages zu ihrem Mann: „Mach mal, dass die Flaschen nicht mehr kaputtgehen!“ Heidan erinnerte sich prompt an die superfesten DDR-Biergläser, die im Volkseigenen Betrieb Sachsenglas Schwepnitz in der Lausitz hergestellt wurden. Rasch nach der Wende verschwanden sie, Glasfirmen wollen ja möglichst viel verkaufen, da macht sich ewig Haltbares nicht so gut.
„2017 nahmen wir Kontakt zu den Experten von damals auf“, erinnert sich Heidan. „Sie verwiesen uns an die Technische Universität Freiberg.“ Die Wissenschaftler hatten auf dem Gebiet weitergeforscht und etwas Neues entwickelt. Daran anknüpfend entstand hier später die Revisalt GmbH. „Unsere Vision, hochfestes Glas für Massenprodukte zu schaffen, hat uns angetrieben“, sagt der Geschäftsführer und bezieht damit alle acht Mitarbeiter ein.
Michael Heidan, Revisalt- Geschäftsführer, mit einem superfesten Glas in der Hand vor der Laboranlage zur Verfestigung von Glas. Unter der weißen Abdeckung (rechts) befindet sich das heiße Salzbad.
Michael Heidan, Revisalt- Geschäftsführer, mit einem superfesten Glas in der Hand vor der Laboranlage zur Verfestigung von Glas. Unter der weißen Abdeckung (rechts) befindet sich das heiße Salzbad.
Bahnbrechende Technologie
Das, was sie inzwischen vorweisen können, hat es mehr als in sich. Mit den von Revisalt entwickelten Technologien lassen sich nämlich Glasprodukte leichter, bruchsicherer, energieeffizienter und somit nachhaltiger herstellen. Experten sprechen nicht ohne Grund von einer bahnbrechenden Technologie zur schnellen Härtung von Glas in nur wenigen Minuten. Heidan erklärt das Prinzip: „Es heißt exakt chemische Verfestigung. Dies gibt es schon seit den 1960er-Jahren. Wir haben es aber stark verbessert“, sagt er nicht ohne gewissen Stolz. Bisher dauerte dieser Prozess bis zu 24 Stunden.
„Dabei wird das Glas in ein 450 Grad heißes flüssiges Salzbad getaucht, dadurch kommt es zum Kalium- und Natrium-Ionen-Austausch, wodurch das Glas fester wird.“ Das Verfahren der Freiberger allerdings verkürzte den Prozess enorm. „Die Firmenmitgründer hatten bereits eine Variante in der Schublade, in der die Verfestigung in fünf bis 30 Minuten erledigt ist“, betont Heidan. In Tests wurde nachgewiesen, dass ein herkömmliches Glasrohr bei einem Druck von 60 Kilogramm zersprang, das in 25 Minuten chemisch verfestige Glas hingegen erst bei 236 Kilogramm.
Tolle Lösung, allein es fehlte an ihrer Umsetzung in die Praxis. Das hat sich mit Revisalt geändert. Dank ihres Engagements wird dieses Verfahren nun erstmals in einem Betrieb angewendet. „Die bayerische Firma Heinz-Glas in Kleintettau ist sozusagen unser erster Kunde, der seit diesem Jahr Produkte mit unserer Technologie verfestigt“, freut sich Heidan. Und um weitere Nutzer sind die Freiberger bemüht. Sie von den Vorzügen ihrer Produktionsweise zu überzeugen, hat der Chef gute Argumente in der Hand. „Da wir schneller sind, braucht es zur Verfestigung des Glases deutlich weniger Energie.“ Und der zweite Vorteil ist, „dass weniger Material nötig ist, um die gleiche Festigkeit wie bei konventionellem Glas zu erreichen“.
In solch einem Ofen werden Schmelzversuche unternommen.
Glasscheiben unter einem Polarimeter. Mit einem Polarimeter werden Spannungen im Glas sichtbar gemacht, die durch den Temperprozess entstehen. Im Bild oben: Die Scheibe wurde getempert, also thermisch gehärtet – damit sieht man auch die Verspannungen.
Höhere Effizienz
Heidan macht es an einem Beispiel deutlich: „Das Deckglas bei Solarzellen zu dessen Schutz ist etwa zwei Millimeter dick. Und dennoch geht es nicht selten durch Hagelschaden zu Bruch. Mit unserer Methode erzielen wir mindestens die gleiche Festigkeit mit nur 0,7 Millimetern.“ Das bedeute mit weniger Glas mehr Effizienz. Oder: Bei Fenstern mit Dreifachverglasung verschwendet man etwa 44 Millimeter Bauraum, mit den drei Glasscheiben, in Summe etwa 10 Millimeter reines Glas, und dazwischen noch Luft zur Isolierung. „Mit unserem verfestigten Glas, sind nur zwei dünnere Scheiben erforderlich und dazwischen befindet sich keine Luft mehr, sondern Vakuum – das sogenannte Vakuum-Isolier-Glas. Es benötigt deshalb nur noch circa 5 Millimeter Bauraum.“ Das reduziere das Gewicht der Fenster erheblich und erleichtere den Bauleuten ihre Arbeit.
Vorteile auch im privaten Alltag. Bei einer 0,7-Liter-Flasche aus herkömmlichem Glas kommen 623 Gramm auf die Waage, mit Revisalt-Glas nur 234 Gramm. „So hätte jeder beim Einkauf weniger zu schleppen.“ Und noch einen Vorteil nennt Heidan: „Mit der gleichen Menge an Material und Energie können mit unserem Verfahren deutlich mehr Glasprodukte hergestellt werden, die auch noch länger haltbar sind.“
Zudem betont der 58-Jährige, dass sein Unternehmen nicht nur dieses Sparpotenzial als Trumpf ausspielen kann. „Unser Geschäftsfeld basiert noch auf einer zweiten Technologie: der Revitalisierung des Salzbades.“ Daher auch der Firmenname: Revisalt. „Im Laufe der Zeit vermindert sich die Qualität des Bades, sodass der Austausch von Ionen nicht mehr so gut funktioniert und darunter die Glasqualität leidet.“ Das flüssige Salz zu wechseln ist nicht billig. Nicht selten handelt es sich etwa um Salzschmelzen mit 220 Tonnen Inhalt. „Wir haben aber nun ein Regenerationsmaterial entwickelt, mit dem die Salzqualität wieder verbessert werden kann.“ Es werde, ähnlich wie Teebeutel, in das Bad gehängt und schon sei alles fast wie neu. Doppelte Nachhaltigkeit – weniger Glasmasse zur Herstellung fester Erzeugnisse und Senkung der Prozesskosten.
Dass alles patentiert ist, sowohl die Technologie als auch Anlagen und Produkte, „versteht sich von selbst“, meint Heidan. Das sei auch nötig, immerhin „haben wir das Potenzial, den weltweiten Glasmarkt zu revolutionieren, ihn deutlich effizienter und umweltschonender zu gestalten“. Und dieser habe immerhin ein jährliches Umsatzvolumen von reichlich 300 Milliarden Euro.
Weltmarkt im Visier
Allerdings steht dem nach wie vor die Wende-Erfahrung im Wege, „als das superfeste sächsische Glas rasch in der Versenkung verschwand. Es ist ja nach wie vor so: Die großen Hersteller wollen ihre Erzeugnisse massenhaft verkaufen. So ist es eben in der Marktwirtschaft“, meint Heidan. Aber selbst wenn, wie in den USA, kein Glasrecycling praktiziert werde und das Alte auf der Halde lande, „dann würde mit unserem Glas immer noch weniger Material und darin steckende Energie vergeudet“.
Nichtsdestotrotz geben die Freiberger die Suche nach weiteren Geschäftspartnern nicht auf. Inzwischen produziert zwar eine Firma aus dem sächsischen Coswig Produktionsanlagen zur Verfestigung von Glas nach dem Revisalt-Prinzip. „Um aber weltweit durchzustarten, brauchen wir noch mehr strategische Verbündete aus der Praxis“, betont Heidan. Dazu bedürfe es eines langen Atems, weiß er aus seiner langjährigen beruflichen Erfahrung. Das dürfte allerdings kein Problem für ihn sein. Immerhin betrieb er 20 Jahre lang Judosport und war als Fallschirmspringer aktiv. „Das schult vor allem Durchhaltevermögen und Durchsetzungskraft.“
Im Gespräch im Unternehmer(zukunfts)talk der IHK Chemnitz ist der Unternehmer und Gründer Michael Heidan zu Gast - ein Macher und Umsetzer, der viel zu erzählen hat. Seine ReViSalt GmbH hat sich zum Ziel gesetzt, den weltweiten Glasmarkt zu revolutionieren.
Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=4EvS_K2qEVI
Fotos: Ulrich Langer, Revisalt
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