Innenstadt Leipzig: Neue Chancen für den Einzelhandel
von Jochen Reitstätter
Die Stadt Leipzig unterstützt frische Shop-Ideen mit Programmen wie dem Cityfonds und für Pop-up Stores. Neben Einkaufsmöglichkeiten legen Besucher vermehrt Wert auf Erholungsorte und mehr Grünflächen
Charles Darwin sagte einmal sinngemäß, dass nicht die stärkste Spezies überlebt, sondern diejenige, die sich am ehesten dem Wandel anpassen kann. Für die Umbrüche im Innenstadthandel gilt dies gleichermaßen – der Wandel ist allenthalben spürbar und erlebbar, der Veränderungsdruck ebenso.
Um die Chancen und Herausforderungen der Leipziger Innenstadtentwicklung professionell zu begleiten, gibt es seit Ende 2021 den Leipziger Citymanager Robin Spanke, der die Akteure zusammenbringt, Konzepte entwickelt und zukunftsfähige Entwicklungen initiiert und begleitet.
Der nächste Wandel steht bereits wieder an in Leipzigs Innenstadt: Das Modegeschäft Zara übernimmt die Räumlichkeiten von Sport Scheck in der Grimmaischen Straße, der Sportwarenladen zieht in die Hainstraße.
„Der Wandel in den Innenstädten ist ein völlig normaler Prozess und auch gut für die zukunftsgerichtete Entwicklung einer Stadt, nur so kann Neues entstehen oder können Anpassungen an veränderte Bedingungen erfolgen“, erklärt Leipzigs Citymanager Robin Spanke. Seit 2021 begleitet der gelernte Immobilienkaufmann die Entwicklung der City der Messestadt und bringt die Innenstadtakteure sowie die Vertreter von Politik und Stadtverwaltung an einen Tisch.
Wie wichtig die professionelle Begleitung der Weiterentwicklung der Innenstädte ist, sieht man in den gewaltigen Umbrüchen der vergangenen Jahre, die einen enormen Anpassungsdruck erzeugt haben.

Rundgang durch die Leipziger Innenstadt: Citymanager Robin Spanke (rechts) und LVZ-Wirtschaftszeitungsredakteur Jochen Reitstätter in der Hainstraße.
Ohne Leerstand weniger Potenzial für Veränderungen
„Der Leerstand in Leipzig macht mir keine großen Sorgen“, beruhigt Citymanager Spanke, denn dieser sei auch teilweise strukturell bedingt. Veränderungen sind seit jeher Normalität, und nicht für jede Lage und jede Räumlichkeit findet sich sofort jemand, der genau das Gleiche benötigt. Allgemein spürt man aber, dass Neuansiedlungen überlegter sind und länger dauern.
„Ohne eine geringe Leerstandsquote gäbe es auch keine Möglichkeit, neue Formate und Läden zu bekommen, die wiederum neue Bedürfnisse befriedigen und die Attraktivität der Innenstadt als Ganzes aufwerten“, erklärt Spanke.
Gerade in Zeiten des Klimawandels und der veränderten Anforderungen an die Innenstädte ist der Rückgang konventioneller Einzelhandelsgeschäfte auch eine Chance für neue Formate in der City. „So können leer stehende Läden des Einzelhandels zur Förderung nachhaltigen Konsums genutzt werden, zum Beispiel durch Reparaturbetriebe, „repair cafés“, Orte des Tauschens und Schenkens oder für Leihangebote“, wie das Umweltbundesamt anmerkt.
Der neue Store der Stadtreinigung Leipzig lebt genau dieses Konzept, in den Höfen am Brühl soll der Konzeptladen „Wiederschön“ bis Mai 2024 entstehen, Informationen gibt es unter im Internet unter www.stadtreinigung-leipzig.de.
Cityfonds soll Veränderungen anstoßen
Neue Konzepte fördert auch die Stadt Leipzig, wie Spanke anmerkt, und das bereits sehr erfolgreich. „Es gibt verschiedene Förderprogramme der Stadt, welche auf die Belebung und Attraktivitätssteigerung auch der Innenstadt abzielen, zum Beispiel durch den ‚Cityfonds‘ für alle, die ihre unternehmerische Kreativität in konkrete Projekte ummünzen wollen“, so Spanke.
Ziel ist, bestehende Leerstände zwischenzunutzen, mehr attraktive Ladengeschäfte zu bieten und generell die Aufenthaltsqualität in der City zu erhöhen. Eine zwölfköpfige Jury bewertet jeden Antrag und zeigt den positiven und aktiven Austausch. Insgesamt stehen von 2023 bis August 2025 knapp eine Million Euro zur Verfügung. Seit 2023 gab es schon über 60 Beratungstermine und 24 positiv bewertete Projekte wurden bereits umgesetzt.
Pop-up-Stores zum Probieren neuer Geschäftsideen
Wer neue Ideen für Produkte hat, Kunst oder Handwerk darbieten will oder seine Produktionsprozesse gleich im Laden zeigt, dem bietet die Stadt im Rahmen des Programms „Pop-up-Stores“ für einen symbolischen Euro Verkaufs- und Ladenflächen in der Innenstadt. Um das eigene Geschäft zum Laufen zu bringen, ist eine erfolgreiche Bewerbung beim Amt für Wirtschaftsförderung Voraussetzung.
Klimapolitische Maßnahmen erhöhen Aufenthaltsqualität in der City
Chancen trotz schwierigerem Umfeld für den Einzelhandel sieht Citymanager Spanke somit trotz allem. „Aufgrund der Veränderungen im Klima, mit längeren Hitzephasen und Trockenheit und der Notwendigkeit, mit konkreten Maßnahmen gegenzusteuern, ist der Umbau der Innenstädte eine Chance, dass auch wieder mehr Menschen in die City kommen“, ist sich Spanke sicher.
Die Entsiegelung von Straßen zugunsten von Grünflächen oder die Umnutzung von Fahrbahnen des Autoverkehrs für Radfahrer und Fußgänger können die Lebensqualität und Gesundheit sowie die Aufenthaltsqualität in der City erhöhen, was sich auch positiv auf die Frequentierung der Innenstädte auswirkt, verdeutlicht auch das Umweltbundesamt. „Durch mehr Grün- und Wasserflächen können urbane Teilflächen um bis zu vier Grad abgekühlt werden“, so eine Studie des UBA.
Trotz Veränderungsdruck gute Voraussetzungen für Handel
Beim Gang durch die Innenstadtmagistralen sieht man bereits die Potenziale der Leipziger Innenstadt, so Spanke. „Der Handel profitiert in Leipzig von verschiedenen Aspekten, die nur wenige Städte so geballt zu bieten haben: Die Stadt ist architektonisch schön, sie ist kompakt, auf gut 800 mal 800 Metern findet man einen bunten Mix an Einkaufsmöglichkeiten, Orte der Erholung und des Verweilens, Gastronomie, aber auch Kultur und Kunst – es gibt also viele Gründe, in die Innenstadt zu kommen“, befindet Spanke.
Auch der Lebensmittelhandel in der Innenstadt ist nun wieder präsenter und die Schaffung von mehr Wohnraum ist geplant, wie aktuell bei den Planungen des Matthäikirchhofs.

Citymanager Robin Spanke
Leipzigs City ist im Wandel, zahlreiche Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung und Transformation werden von verschiedenen Akteuren begleitet und umgesetzt. Um diese Prozesse zu koordinieren und zu steuern, gibt es seit Dezember 2021 beim Leipzig Tourismus Marketing die Position eines Citymanagers.
Robin Spanke ist der erste Citymanager der Messestadt. Der gebürtige Ahlener bringt zehn Jahre Berufserfahrung im Handels-Immobilienbereich mit. Der 32-Jährige war unter anderem stellvertretender Centermanager im Paunsdorf Center (2014), Centermanager in Straubing (2015-2016) und Centermanager der Höfe am Brühl (2017-2021). Robin Spanke ist verheiratet und hat eine Tochter.
Einzelhandel bleibt Hauptsäule innerstädtischen Wirtschaftens
Spanke sieht die Entwicklung und die Veränderungen in der Leipziger Innenstadt auf einem guten Weg. „Die Studie ‚Vitale Innenstädte 2022‘ der IFH Köln dokumentiert die hohe Zufriedenheit mit der Leipziger City, die Hauptmagistralen zeigen deutliche Steigerungen mit positiven Effekten für alle Händler und Ladengeschäfte“, so Spanke.
In der Studie erhielt Leipzig von den Befragten für die Attraktivität der Innenstadt die Note 1,9 – Platz 1 bei Städten über 500.000 Einwohner und Ausdruck eines Wandels im Sinne der veränderten Wünsche und Bedürfnisse der Einwohner und Pendler, interpretiert Spanke. Lediglich bei den Orten zum Verweilen wünschen sich gut 40 Prozent noch mehr Parks, Plätze und Sitzgelegenheiten.
Steigt die Attraktivität der Innenstadt, profitiert auch direkt der Einzelhandel, ist sich Spanke sicher, und dieser musste sich schon immer aufs Neue erfinden, bestätigt auch Gunter Engelmann-Merkel, Geschäftsführer beim Handelsverband Sachsen e.V.
„Die Digitalisierung wird auch Teil des stationären Handels, und zugleich bauen Geschäfte ihre Stärken als vor Ort präsente Händler aus, lassen ihre Läden mit überraschenden Inszenierungen und spannenden Sortimenten so besonders werden, dass ihre Anziehungskraft permanent erneuert wird.“ Der Einzelhandel werde die Hauptsäule innerstädtischen Wirtschaftens bleiben.
Beispiel NEO
Mix aus Einzelhandel, Büros und Gastronomie soll altes Karstadt-Gebäude wiederbeleben
Einzigartig in der Innenstadtentwicklung ist die Renaissance des alten Warenhauses, welches zuletzt Karstadt beherbergte und als „Neo“ durch die Asset Management Gesellschaft ec/Advisors GmbH im Auftrag des Eigentümers mit Flächen für Büros, Einzelhandel und Gastronomie komplett umgebaut wird.

Kulminationspunkt innerstädtischen Wandels: Arbeiten, Relaxen, Einkaufen und Genießen soll es im neuen „Neo“ geben.
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Fotos: Raik Schache, André Kempner
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