Oper Leipzig auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit
German Equal Pay Award, Audit „berufundfamilie“, Nachhaltigkeitsmanagement – mit diesen drei Zertifizierungen definiert die Oper Leipzig als erstes deutsches Theater langfristig ihre zukunftsorientierten Ziele für einen positiven und nachhaltigen Einfluss auf Gemeinschaft und Umwelt.
Von Nannette Hoffmann
Wer von der Oper Leipzig hört, denkt an das Kulturhaus am Augustusplatz oder an die Musikalische Komödie in Lindenau, in denen Opernwerke, Musicals, Operetten oder Ballettstücke aufgeführt sowie Bildungsangebote für die junge Generation kreiert werden, in denen Festivals und noch viel mehr auf die Bühne gebracht werden. Für derzeit 738 Menschen ist die Oper Leipzig aber noch weitaus mehr – sie ist ihr Arbeitgeber, in Voll- oder Teilzeit.
Auf dem Weg zur Nachhaltigkeit
Diesen letzten Aspekt haben Lydia Schubert und Daniel Koch, die Verwaltungsdirektorin und der Personalchef der Oper Leipzig, in den Fokus ihrer Arbeit gestellt und mit dem komplexen Thema Nachhaltigkeit verbunden. „Wir verfolgen hier einen ganzheitlichen Ansatz. Wenn wir das eine angehen, müssen wir das andere mitbedenken“, sagt Lydia Schubert kurz und erklärt sogleich, was sie damit meint. Als Arbeitgeber trage man Verantwortung: Verantwortung für jeden einzelnen Mitarbeitenden, aber auch für das Arbeitsumfeld, die Arbeitsprozesse und – mit Blick in die Zukunft – für umweltfreundliches Handeln. Daher verknüpfen die beiden mit Nachhaltigkeit einen ökonomischen, ökologischen und sozialen Ansatz.
„Führen heißt, Moderator zu sein und Ziele vorgeben. Wir wollen Mitarbeitende fördern und gleichzeitig auf die verschiedenen Bedürfnisse eingehen.“
Lydia Schubert Verwaltungsdirektorin Oper Leipzig
Zertifiziertes Nachhaltiges Veranstaltungsmanagement
„Mit diesen Vorgaben war uns schnell klar, wir müssen uns einem grundlegenden Wandel unterziehen“, sagt der Personalchef. Also entstanden im vergangenen Jahr für diese drei Ansätze Maßnahmenkataloge, in denen Ziele definiert und festgehalten wurden, die sukzessive umgesetzt werden.
„Um unseren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren, fördern wir beispielsweise Recycling, nutzen energieeffiziente Beleuchtung und erneuerbare Energien“, zählt Lydia Schubert auf.
Zudem habe man geschaut, worauf man noch Einfluss nehmen könne. „Bei unseren Besucherinnen und Besuchern nur bedingt. Wenn sie mit dem Auto kommen wollen, können wir das nicht verhindern. Aber wir haben mit dem Kombiticket eine Möglichkeit geschaffen, kostenfrei den ÖPNV nutzen zu können – und das schon seit vielen Jahren.“
Ökonomisch hat die Oper Leipzig wie viele Betriebe mit Kostendruck und Preissteigerungen zu kämpfen. „Daher fördern wir die moderne Kreislaufwirtschaft. Das heißt, alle Produkte auf der Bühne versuchen wir wiederzuverwerten. In der Kostümabteilung experimentieren wir zusätzlich mit nachhaltig hergestellten Materialien und Naturstoffen“, berichtet die Verwaltungschefin.
Seiner sozialen Verantwortung wird das Haus gerecht, in dem es sich für faire Arbeitsbedingungen und Bezahlung einsetzt und die Vereinbarkeit für Beruf und Familie ermöglicht.
Mit all diesen Bemühungen erarbeitete sich die Oper Leipzig unter der Intendanz von Tobias Wolff im Juni dieses Jahres als erstes deutsches Theater das internationale Zertifikat für ein nachhaltiges Veranstaltungsmanagement gemäß DIN ISO 20121.
Arbeitskultur im Wandel
Die Oper Leipzig ist auf diesem Gebiet in die Vorreiterrolle gegangen. „Einer muss ja den Anfang machen“, sagt Daniel Koch lächelnd. Aber für ihn war schnell klar, dass der Weg hier nicht endet, sondern weitergeht. „Unsere Arbeitskultur sollte und musste sich ändern. Sie soll ehrlich, transparent und gleichberechtigt sein. Das versuchen wir schon seit Längerem umzusetzen.“
Doch es sei ein fließender Prozess. Damit das gelingt, müssen alle an einem Strang ziehen, sich Menschen dafür öffnen. Und da könne die Führungsebene nicht hintenanstehen.
„Führen heißt, Moderator zu sein und Ziele vorgeben. Wir wollen Mitarbeitende fördern und gleichzeitig auf die verschiedenen Bedürfnisse eingehen“, gibt Lydia Schubert den Weg vor.
„Theater ist ein sehr hierarchisch strukturiertes System, trotzdem wollen wir auf Augenhöhe mit dem Mitarbeitenden agieren und transparent Entscheidungen treffen.“ Dafür versuche sie, als Direktorin in ständigem Austausch mit den verschiedenen Bereichen zu sein – „und da zu sein, wenn ich gebraucht werde“.
Auf Arbeitsebene sei es beiden wichtig, dass unter den Mitarbeitenden ein gegenseitiges Verständnis für Arbeitsabläufe entsteht. „Dass sie wissen, was machen beispielsweise die Bühnentechnikerin, der Schneider, die künstlerischen Bereiche genau, um Schnittstellen in Arbeitsprozessen besser verbinden zu können“, erklärt Lydia Schubert.
Das alles sei ein Prozess, der wohl nie abgeschlossen sein wird, da ständig Wechsel im Haus, in Positionen, in Arbeitsaufgaben stattfinden – aufgrund von Neuorientierung, Digitalisierung und Technisierung. „Wir müssen uns daher immer wieder selbst neu hinterfragen und schauen, wo neue Lösungen gebraucht und Prozesse angepasst werden müssen“, erläutert Daniel Koch.
„Unsere Arbeitskultur sollte und musste sich ändern. Sie soll ehrlich, transparent und gleichberechtigt sein.“
Daniel Koch Personalleiter Oper Leipzig
Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Eine besondere Herausforderung sei die heterogene Mitarbeiterschaft der Oper Leipzig. Eines vereint sie: der Wunsch nach mehr Planbarkeit. Wann habe ich Zeit für die Familie? Wann kann ich mich meinen pflegebedürftigen Angehörigen widmen? Kann ich meinen Urlaub flexibler gestalten?
Die Bedürfnisse der Mitarbeitenden sind so individuell wie die Menschen selbst. Deshalb ist es für Lydia Schubert und Daniel Koch eine Herzensangelegenheit, diesen Punkt in Angriff zu nehmen.
„Wir haben uns auf Leitungsebene gefragt, wie weit fassen wir den Begriff Familie“, erklärt die Verwaltungschefin. „In meinen Augen gehören dazu nicht nur Eltern und Kind. Auch ein Haustier oder der Nachbar können für manche ein sozialer Bezug sein, den es zu schützen gilt“, betont sie.
In einem Maßnahmenkatalog haben sowohl die Führungsebene als auch die einzelnen Bereiche formuliert, was sie sich in ihrem Arbeitsumfeld wünschen – „und das setzen wir nun konsequent um“, bestätigt Daniel Koch.
Gerade werde ein verbindlicher Wochenplan eingeführt sowie flexiblere Arbeitszeitmodelle. „Proaktiv haben wir das Sabbatjahr eingeführt, was bereits rege genutzt wird“, so Daniel Koch weiter. Das Angebot der teambildenden Maßnahmen wurde für alle Bereiche erweitert. „Hierbei ist uns wichtig, dass sich auf diese unkonventionelle Weise die Mitarbeitenden aus den Bereichen kennenlernen und über den eigenen Tellerrand schauen können.“
Im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements wird der Fokus auf Mitarbeitende und Angehörige gelegt. „Sie bekommen durch uns die Möglichkeit, Ansprechpartner oder Hilfe zu bekommen für die Belange, die sie in ihrem Alltag bedrücken“, beschreibt die Verwaltungschefin einen wichtigen Aspekt. Außerdem wurde eine Vertrauensstelle etabliert, an die sich Mitarbeitende wenden können, wenn es beruflich oder privat Probleme gibt.
„Ich bin stolz, dass wir uns mit allen Abteilungen und unseren unterschiedlichen Jobprofilen der Herausforderung gestellt und erfolgreich das umfassende Audit ‚berufundfamilie‘ durchgeführt haben. Mit Erreichen des Zertifikats sind wir einen wichtigen Schritt weiter, unsere Arbeitgebermarke positiv auszubauen. Die nächsten drei Jahre stehen nun ganz im Zeichen der Umsetzung und Evaluation der vereinbarten Maßnahmen“, verdeutlicht Lydia Schubert.
Faire Bezahlung
In diesem Atemzug haben sich beide Leiter noch einen anderen Punkt angeschaut: die Gehaltsstrukturen. „Wir haben im Haus verschiedene Tarifverträge des öffentlichen Dienstes. Da können wir nicht ran. Aber im Bereich Solokünstler, Bühnentechnik und Bühnenbereich, wo das Gehalt frei verhandelt wird, da können wir etwas tun, da wollen wir eine Entgeltgleichheit durchsetzen“, stellt Lydia Schubert klar.
Für diese Gruppe wurden objektive Strukturen und Kriterien geschaffen, die unabhängig vom Verhandlungsgeschick des einzelnen Mitarbeitenden sind und sogar die persönliche Weiterentwicklung aktiv fördern. Für diese „Strahl- und Durchsetzungskraft ihres Vergütungssystems“ wurde die Oper Leipzig mit dem German Equal Pay Award des Bundesfamilienministeriums ausgezeichnet.
Die Oper Leipzig hat die Zertifizierung nach DIN ISO 20121 erhalten, der internationalen Norm für nachhaltiges Veranstaltungsmanagement. Damit setzt das Kulturhaus nicht nur auf der Bühne, sondern auch hinter den Kulissen auf Nachhaltigkeit. Investiert wird unter anderem in umweltfreundliche Materialien und Techniken in der Kostümabteilung sowie in den Theaterwerkstätten.
Prozesse nach außen und innen tragen
All diese Maßnahmen sollen dazu beitragen, die Arbeitgebermarke zu stärken. „Wir wollen, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gern auf Arbeit gehen, sich mit unserem Haus und ihrer Arbeit identifizieren können“, sagt Daniel Koch.
Ziel sei es, Mitarbeitende längerfristig an das Haus zu binden. „Wir haben hier Menschen, die seit mehr als 40 Jahren für uns tätig sind. Das brauchen wir weiterhin. Menschen, die bleiben wollen, weil sie sich hier wohlfühlen, Entwicklungsmöglichkeiten finden und sich selbst verwirklichen können“, betont der Personalchef.
In der Kulturlandschaft Deutschlands sind die Theater oft eher unter sich. „Das wollen wir aufbrechen, unseren neuen Werdegang nach außen tragen, damit jeder sehen kann, wer wir sind und was wir machen“, betont die Verwaltungschefin. „Wir sehen hierbei auch klar unsere Pflicht der Gesellschaft gegenüber“, fügt sie hinzu. „Als Kulturbetrieb müssen wir unsere klaren Werte auch nach außen transportieren. Und wer kann das besser als unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie sind unsere Botschafter“, meint Lydia Schubert.
Fotos: Kirsten Nijhof, Urs Dierker, Oper Leipzig
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