Genossenschaft für fairen Kaffeegenuss
Jens Klein bietet in Deutschland seit zehn Jahren fair gehandelten Bio-Kaffee aus Nicaragua an. Mit seinem Projekt Café Chavalo ermöglicht er es den Kooperativen und deren Familien, von der Arbeit leben zu können.
Von Nannette Hoffmann
Jens Klein behauptet von sich, „schon immer ein bisschen anders gewesen zu sein“. „Ich war in der Schule der, der fair gehandelte Schokolade statt Milka aß. Mich hat eben ein anderes Wirtschaften interessiert als das konventionelle“, beschreibt er. Doch in diesem Bereich nach der Schule beruflich Fuß zu fassen, kam ihm nicht sofort in den Sinn. „Ich habe 2011 erst mal ein Volontariat im Journalismus begonnen.“
Privat blieb er dem Thema treu, informierte sich weiter, um tiefer in die Materie einzusteigen, arbeitete ehrenamtlich in Weltläden mit. Nach zwei Jahren stand für ihn fest: „Ich wollte lieber selbst fairen Handeln betreiben, statt nur darüber zu schreiben“, sagt der 38-Jährige.
Jens Klein arbeitet für seinen fair gehandelten Bio-Kaffee mit zwei Kooperativen-Verbänden in Nicaragua zusammen.
Die Bauern ernten nur reife Kaffeekirschen vom Strauch
Café Chavalo hat ein nussig-schokoladiges Aroma mit einer leichten Geschmackssäure.
Kooperativen in Nicaragua besucht
Für Jens Klein war nach dieser Entscheidung klar: Um sich ein realistisches Bild vom fairen Handel zu machen, muss man direkt vor Ort sein und mit den Menschen, den Produzenten, in Kontakt treten. Also erzählte er seinem Vater von seiner Idee, nach Lateinamerika zu reisen und sein Volontariat an den Nagel zu hängen. „Er war davon nur semibegeistert, unterstützte mich aber von Anfang an.“
Dank eines Kontaktes nach Nicaragua ging Jens Klein 2012 für dreieinhalb Monate in das mittelamerikanische Land. „Was ich dort gesehen und erlebt habe, hat mich schließlich überzeugt, ein eigenes Unternehmen aufzubauen“, berichtet er und wird konkreter: „Die Menschen sind so offen und freundlich, sie haben sich Zeit genommen und mir alles gezeigt.“
Beeindruckt war er, dass er nicht mit Geschäftsführern oder Verwaltungsdirektoren ins Gespräch kam, sondern direkt mit den Bauern und Bäuerinnen. „So konnte ich direkt in die Arbeitswelt der Kooperativen reinschauen.“ Und es zeigte sich, die bestehenden Kooperativen haben alle das gleiche Problem: „Sie können alle Kaffee zu besseren Bedingungen verkaufen, aber der Absatzmarkt ist noch nicht groß genug.“
Potenzial für sein „Kind“
Hier wollte er ansetzen, den Absatzmarkt in Deutschland zu erweitern, denn er sah das Potenzial dieses Kaffees. Zurück in Deutschland ging alles recht schnell. Er suchte sich Partner zum Rösten und Verkaufen seiner eigenen Kaffeesorte und informierte sich, wie er eine Kaffeefirma aufbauen könne.
„In meinem kleinen WG-Zimmer in der Südvorstadt habe ich angefangen. Und hier wurde 2014 mein erster fair gehandelter Bio-Kaffee abgenommen“, schildert er. Einen Namen für sein neues Projekt fand er ebenfalls schnell: „Chavalo“ sollte es heißen. „Wörtlich übersetzt bedeutet Chavalo ‚Kind‘. Darin liegt für mich die Hoffnung auf ein würdevolles Aufwachsen und eine lebenswerte Zukunft“, betont Jens Klein.
Sein „Kind“ Café Chavalo erblickte dann auch offiziell 2014 das Licht der Welt. „Damals begannen die partnerschaftlichen Handelsbeziehungen mit der Kaffee-Kooperative ‚Tierra Nueva‘ in Boaco/Nicaragua. Ein Jahr später kam schon der erste Schiffscontainer mit fair gehandeltem Bio-Kaffee nach Deutschland“, beschreibt er.
Heute importiert Café Chavalo jährlich 60 bis 70 Tonnen Kaffee aus Nicaragua.
Hochwertiger Alltagskaffee in ganz Deutschland erhältlich
Mit seinem nussig-schokoladigem Aroma und einer leichten Geschmackssäure sei Café Chavalo ein solider hochwertiger Alltagskaffee. „Wir arbeiten in Nicaragua mit zwei Kooperativen-Verbänden zusammen – ‚Tierra Nueva‘ und ‚ Miraflor‘. Deren 250 Mitglieder bauen hochwertigen Spezialitätenkaffee in Bio-Qualität an. Die Pflanzen wachsen im Schatten von Bäumen und Bananenstauden, sodass der Kaffee langsam heranreift“, erzählt Jens Klein.
Der Weltladen Leipzig sei der erste gewesen, der Café Chavalo in sein Sortiment aufnahm. Mit der Zeit und einigem Klinkenputzen, wie Jens Klein zugibt, kamen verschiedene Einzelhändler und Gastronomen dazu. 250 Verkaufsstellen deutschlandweit haben Café Chavalo bei sich gelistet. Ein Viertel des Umsatzes komme dabei aus Leipzig, ist Jens Klein stolz.
„Bei den Gastronomen ist es schwerer, einen Fuß in die Tür zu bekommen. Corona war da für uns nur ein Schreckmoment, aber die Inflation hat uns einen echten Umsatzeinbruch beschert“, gibt Jens Klein zu.
Konzept des fairen Handels verstehen
Doch die Menschen verstehen, wie wichtig die Philosophie hinter dem Konzept des fairen Handels ist. „Mit fair gehandelten Produkten wollen wir den Bauern und Bäuerinnen ein auskömmliches Leben ermöglichen. Sie sollen von ihrer Arbeit leben können“, erklärt Jens Klein.
Kaffee wird an der Börse gehandelt, ist damit immer Schwankungen unterworfen. „Mit dem Konzept des fairen Handels wollen wir das verhindern und deckeln den Preis nach unten. Das heißt, wir haben mit den Kooperativen einen Preis festgelegt, der weit über dem üblichen Börsenpreis liegt und zahlen ihn auch, wenn der Börsenpreis fällt.“
Ziel sei es, so selbstverwaltete Kooperativen zu unterstützen, Eigenverantwortlichkeit und eine hohe Produktqualität zu fördern.
Das erkläre auch den etwas höheren Preis gegenüber dem konventionellen Kaffee: nämlich 27 Euro pro Kilogramm für Café Chavalo statt 10 Euro pro Kilogramm für Kaffee aus dem Discounter. Dafür trinke hier das gute Gewissen mit. „Für mich ist der faire Handel die einzige Form, Kaffee zu trinken, der aus menschenwürdigem Anbau stammt. Und ich weiß, wie viel Arbeit in solch einer Tasse Kaffee steckt.“
Dieser Gedanke bewege immer mehr Menschen dazu, zu fair gehandelten Produkten zu greifen. Laut Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sind auf dem deutschen Markt rund 7800 fair gehandelte Produkte erhältlich – Kaffee sei dabei das wichtigste Produkt.
„Noch sind wir ein Nischenprodukt, aber der Umsatz mit fair gehandelten Produkten steigt, trotz des zurückhaltenden Konsumverhaltens sowie der Klima- und Wirtschaftskrise“, hebt Jens Klein hervor.
Segel-Kaffee und Frauenpower
Wenn man Verantwortung für die Menschen vor Ort und ihre Lebensbedingungen übernimmt, hat man laut Jens Klein auch eine Verantwortung gegenüber der Natur. Daher hat sich der Kaffeehändler dazu entschlossen, beim Transport einen anderen Weg zu gehen. „Unseren Segel-Kaffee und Segel-Espresso lassen wir emissionsarm in einem Segelschiff von Mittelamerika nach Europa transportieren. Damit setzen wir ein Zeichen für verantwortungsvollen und klimabewussten Transport.“
Mit der Sorte „Café Feminista“ kämpft er für Gleichberechtigung und faire Entlohnung in einem patriarchisch geprägten Land. „Der Anbau und die spezielle Weiterverarbeitung stehen komplett unter der Regie von Kaffeebäuerinnen“, unterstreicht er seinen Ansatz.
Vom Einzelunternehmen zur Genossenschaft
Einen weiteren wichtigen zukunftsorientierten Schritt ging Café Chavalo 2017. Da wurde aus dem Einzelunternehmen eine Genossenschaft mit rund 90 Mitgliedern. „Die Genossenschaft war schon immer ein Traum von mir, schließlich ist das die konsequente Umsetzung unseres Konzepts, genossenschaftliche Zusammenschlüsse in Nicaragua zu unterstützen“, erläutert Jens Klein.
Mitglieder sind Freunde, Familienmitglieder, Kaffeeröster und die Kooperativen selbst. „Das verdeutlicht noch einmal mehr den Grundgedanken: gemeinsam arbeiten, gemeinsam Verantwortung tragen.“
Erweiterung des Angebots
Einmal im Jahr ist Jens Klein in Nicaragua und besucht die Kooperativen. „Mit ist es wichtig, auf Augenhöhe in Kontakt zu sein und umgekehrt schätzen es die Bauern und Bäuerinnen wert.“ Und dadurch hat er sich ein weiteres Ziel gesetzt: „Nicaragua bietet als Land viele spannende Bio- Produkte. Ich möchte gern das Angebot von Café Chavalo erweitern“, blickt er voraus. So dürfen Interessierte gespannt sein, was demnächst auf dem Frühstückstisch landet.
Fotos: Café Chavalo
Die Mitarbeitenden im Labor in Nicaragua kontrollieren die Qualität jeder Charge.
Der fair gehandelte Kaffee unterliegt keinen Börsenschwankungen.
In der Rösterei wird den Bohnen viel Zeit gegeben, ihr Aroma zu entfalten.
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