Mit Stärke zu besseren Ernteergebnissen
Bernhard Sack hat mit seinem Unternehmen amynova polymers eine neue und innovative Lösung gefunden, um nicht biologisch abbaubare, wasserlösliche Polymere auf natürliche Weise zu ersetzen.
Von Nannette Hoffmann
Pflanzenschutzmittel werden in der Landwirtschaft angewendet, um Pflanzen vor Schädlingsbefall zu schützen und somit Ernten zu sichern. Allerdings sind Pflanzenschutzmittel gesundheitsschädigend.
Daher hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im September das „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“ vorgestellt. Darin ist unter anderem festgelegt, bis zum Jahr 2030 den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu halbieren.
Für Landwirte eine weitere Auflage, die ihre Betriebe vor neue Herausforderungen stellt und eine effiziente Produktion von Lebensmitteln erschwert.
Hier kann Bernhard Sack, Geschäftsführer der amynova polymers GmbH, weiterhelfen. Denn amynova hat ein innovatives Produkt auf Stärkebasis entwickelt, ein einzigartiges Biopolymer, mit dem Landwirte die geforderten 50 Prozent Pflanzenschutzmittel einsparen können und sich der Ernteertrag sogar signifikant verbessert. „Es gibt kein anderes Produkt auf dem Markt, das diese Eigenschaften aufweist“, betont der 58-Jährige.
Umwelt wird mit Kunststoff überschwemmt
In der Industrie gibt es verschiedene Produkte, die Eigenschaften wie Beschichtung (also Filmbildung) und Verdickung besitzen. „Jedoch sind diese allesamt auf synthetischer Basis hergestellt und damit schwer biologisch abbaubar“, beschreibt Bernhard Sack.
Wer aufmerksam das Etikett der Inhaltsstoffe auf den Tuben, Dosen und Flaschen der Kosmetikindustrie liest, findet sie dort aufgelistet: Polypropylene Glycol, Acrylate Copolymer oder Dimethiconol. Aber nicht nur hier findet man Kunststoffarten – auch in Waschmitteln, Spielzeug, Dünger, Arzneimitteln und Verpackungsmaterialien.
977 Tonnen Mikroplastik und 46 900 Tonnen gelöste Polymere gelangen jährlich in Deutschland allein aus Kosmetikprodukten sowie Wasch-, Putz- und Reinigungsmitteln ins Abwasser. Das ergab eine Studie des Fraunhofer- Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) im Auftrag des NABU.
Und ein Forschungsteam der Universität Bayreuth hat in einer Meta-Studie herausgefunden, dass die Bedrohung durch Mikroplastik an Land noch viel größer ist als in Gewässern.
Bernhard Sack an einem mit einer Stärkelösung gefüllten Tank. Einen Tag lang verbringt die Lösung in Rotation.
Forschung im Polymerbereich
Erschreckende Zahlen und Aussagen. „Wir überschwemmen unsere Umwelt förmlich mit Kunststoff“, bestätigt Bernhard Sack. Der Grund ist für den Geschäftsführer ganz einfach: „Kunststoff wird in so vielen Produkten eingesetzt, weil er eine hohe Leistung erbringt, billig ist – sowohl in der Herstellung als auch der Verarbeitung – und eben vielseitig einsetzbar ist.“
Das Problem wiederum ist seine Schädlichkeit auf die Umwelt und den Menschen. Daher hat amynova vor 14 Jahren angefangen, im Polymerbereich zu forschen.
„Unser Ziel war es, eine Alternative zu den herkömmlichen, nicht biologisch abbaubaren und wasserlöslichen Polymeren zu finden – und zwar aus natürlichen Rohstoffen, aber mit derselben Performance“, berichtet er. Entstanden ist das stärkebasierte Biopolymer „amylofol“.
Mit der Kartoffel fing alles an
„Ich habe mich dann auf dem Markt umgeschaut, für wen unser Produkt einen bedeutsamen Nutzen haben kann“, erzählt der Geschäftsführer. Sein Blick fiel auf die für ihn viel gebeutelten Landwirte und die Kartoffel – des Deutschen liebstes Gemüse. „Also haben wir eine Anlage entwickelt, mit der wir anfangs 500 Liter in der Woche produzieren konnten, haben Partner gesucht und mit Untersuchungen auf dem Feld begonnen.“
Bis zu 18-mal müsse ein Landwirt seine Kartoffeln mit Fungiziden und Herbiziden spritzen, um Schadpilze zu töten. „Das gilt übrigens auch für Bio-Kartoffeln“, betont Bernhard Sack.
Bislang sei es so, dass bei Regen die Pestizide von den Pflanzen gewaschen werden. Gebe man aber „amylofol“ ins Spritzwasser, bilde der Wirkstoff eine Art Beschichtung auf den Pflanzenblättern, den der Regen nicht abwaschen kann. „Damit kann der Landwirt sein Feld sauber halten, die Pflanze hat weniger Stress, weil sie sich nicht gegen Schädlinge wehren muss, und der Ertrag kann sich besser entwickeln“, zählt Bernhard Sack die Vorteile auf. Damit erhöhe sich in seinen Augen auch die Effizienz des Pflanzenschutzmittels signifikant.
Auf dieser Erfahrungsbasis ging die Forschung weiter und zwei weitere Einsatzgebiete in der Landschaft kamen hinzu: „Unser Produkt ‚Seedcover‘ wird zur Saatgut-Beschichtung verwendet. Hier sorgt es für eine bessere Keimfähigkeit sowie kräftigen Pflanzenwuchs“, beschreibt Bernhard Sack.
Erosioncontrol wird als Haftmittel zusammen mit Vorauflaufherbiziden ausgebracht. Auch hier blockiert das Biopolymer die Abwaschung durch Regen, „vor allem aber hält es Herbizide und Dünger länger in den oberen Bodenschichten und verhindert, dass weniger Pflanzenschutz ins Grundwasser gelangt“.
Biopolymer erobert den Globus
Tausende Landwirte in Deutschland sind bereits vom neuen Biopolymer überzeugt. Vor zwei Jahren kamen weitere in Österreich, der Schweiz, den Niederlanden und Frankreich hinzu. 5000 Liter pro Tag werden bei amynova jetzt hergestellt. „Und wir können jederzeit hochskalieren, um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden“, ist er stolz.
Dr. Sebastian Köhling gibt Reagenzien in eine kleine Anlage, um eine chemische Reaktion herbeizuführen.
Dr. Katrin Eckardt bei der Titration, einem Analyseverfahren, bei dem die Konzentration eines chemischen Stoffes bestimmt wird.
Was sind Polymere?
Wer das Wort „Polymer“ hört und liest, denkt zuallererst an Plastik. Ganz falsch ist das nicht, aber auch nur die halbe Wahrheit, wie Bernhard Sack erklärt: „Kunststoffe machen nur einen kleinen Teil der Polymere aus. Polymer bedeutet einfach ‚aus vielen Teilen aufgebaut’. Somit sind Polymere chemische Stoffe, die aus langkettigen Molekülen bestehen.
Man unterscheidet zwischen synthetischen Polymeren und Biopolymeren. Synthetische Polymere sind petrochemisch, also mithilfe von Erdgas oder geeigneten Fraktionen des Erdöls modifizierte Substanzen. Sie sind eine Hauptkomponente für die Herstellung von Kunststoff.
Biopolymere hingegen bilden die Grundbausteine jeglicher Organismen und sind biologisch abbaubar. Zu den Biopolymeren zählen zum Beispiel Stärke, Proteine und Keratin.“
Denn die ist da. „Landwirte in den USA sind auf mich zugekommen. Auch sie konnte unser Produkt überzeugen.“
Acht Tonnen ist amynova gerade dabei auszuliefern. „Das sind Mengen, die wir zwar hier produzieren können, den Export aber unheimlich verteuert.“ Daher denkt er darüber nach, eine Produktionsstätte in den USA aufzubauen.
Vor ein paar Wochen habe dann auch China Interesse am Produkt bekundet. Das beweise ihm: „Weltweit haben alle dasselbe Problem.“
Um das innovative Produkt weiterzuentwickeln und in den Markt zu bringen, sucht Bernhard Sack Fachkräfte. „Derzeit haben wir drei Chemiker im Labor und vier in der Produktion hier am Standort in Bitterfeld-Wolfen.
Im Innendienst arbeiten fünf und ich habe ein Team von drei Verkäufern draußen.“ Das reicht nicht mehr aus, wohl wissentlich, dass der Vertrieb das A und O ist. „Und aktuell auch das Teuerste am Produkt“, bestätigt Bernhard Sack, der gerade viele 1-zu-1-Gespräche mit den Landwirten selbst führt.
Vorreiter auf dem Forschungsgebiet
Zur Anwendung kommt das Biopolymer nicht nur bei Kartoffeln, sondern auch bei weiteren Nutzpflanzen wie zum Beispiel Mais und Zuckerrüben. Aktuell laufen zudem Forschungen mit Obstbauern.
„Überall dort, wo Wirkstoffe eingesetzt werden, kann unser Produkt mit seinen positiven Eigenschaften mit eingesetzt werden“, sagt Bernhard Sack. Also in so gut wie allen Bereichen des Lebens. „Mit unserer Forschung im Polymerbereich sind wir Vorreiter“, betont der Geschäftsführer.
Wie kam es zur Namensgebung?
Der Firmenname „amynova polymers“ war laut Bernhard Sack in zehn Sekunden gefunden.
„Ich war gerade am Telefon und meine Gedanken kreisten um unser neues Hauptprodukt ‚amylofol‘. Nun basiert das ja auf Stärke, daher die lateinische Form ‚amylo‘. Darin steckte für mich wiederum der schöne Frauenname ‚Amy‘. Und da unser Produkt neu ist, kam mir noch das lateinische Wort für neu, also ‚nova‘, in den Sinn. Zusammen ergab das für mich dann ‚amynova‘ – und polymers heißen wir, da es sich bei unserem Produkt um eines handelt. Also bezeichnet amynova polymers frei übersetzt: Neue Stärke für den Polymerbereich.“
Aufgrund der jahrelangen Erfahrung geht er jetzt weiter – in andere Anwendungsbereiche. „Wir suchen dafür neue Partner in den verschiedenen Industriezweigen.“
Geglückt ist das schon mit einem großen namhaften Kosmetikhersteller. „Aktuell entwickeln wir hierfür ein neues Produkt und hoffen, es in drei bis fünf Jahren auf den Markt zu bringen“, berichtet Bernhard Sack.
Hohes Maß an Frustrationstoleranz
An den neuen Produkten und den damit verbundenen vielseitigen Einsatzgebieten forschen Dr. Katrin Eckhardt und Dr. Sebastian Köhling. „Wir haben eine Zielstellung, zum Beispiel soll ein Produkt eine hohe Viskosität aufweisen. Also besteht unsere Forschung darin, wie wir das erreichen können, welche Einflussfaktoren dies verhindern und wir diese wiederum abändern können“, erklärt Dr. Sebastian Köhling.
Anhand von verschiedenen Parametern testen sie sich Stück für Stück an ein Ergebnis. Der Weg sei steinig und mit vielen Rückschlägen gepflastert. „95 Prozent unserer Tests klappen dabei nicht“, gibt Dr. Katrin Eckhardt zu. Das sei aber typisch für Forschung und Entwicklung. Da müssten die beiden Naturwissenschaftler schon eine hohe Frustrationstoleranz an den Tag legen.
Doch wenn der Durchbruch gelingt, können sie mit ihrer Arbeit Mensch und Natur helfen und die Welt in großem Stil nachhaltiger gestalten.
Foto: Nannette Hoffmann | Symbolbild: Adobe Stock
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