Produktiver, kreativer, zufriedener
Klassik, Naturklänge und weißes Rauschen – was Musik hören am Arbeitsplatz leisten kann
Von Patricia Liebling

Telefone klingeln ununterbrochen, Kollegen stimmen sich untereinander ab, Tastaturen klappern, Türen fallen ins Schloss, im Hintergrund brodelt ein Wasserkocher – Stille sucht man in Großraumbüros vergebens. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen setzen zunehmend auf Musik, um die sie umgebende, störende Geräuschkulisse auszublenden. Auch in anderen Jobs greifen Arbeitnehmende gerne zu Kopfhörern und lassen sich beschallen.
Der Audiospezialist Logitech fand 2005 heraus, dass rund sieben von zehn Deutschen Musik am Arbeitsplatz hören. Ein Trend, der angesichts der immer stärker liberalisierten Arbeitsumfelder bis heute anhält. Doch hilft das nachweislich, seiner Tätigkeit konzentrierter nachzugehen? Und ist es überhaupt erlaubt?
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Das sagt die Forschung
Macht Musik produktiver? Eine eindeutige Antwort fällt schwer. Seit den Siebzigerjahren stellen Forscher immer wieder einen Zusammenhang zwischen Musik und erhöhter Produktivität fest. Der 1993 von US-Forschern proklamierte „Mozart-Effekt“, der vor allem der klassischen Musik eine konzentrationsfördernde Wirkung zuschreibt, wurde inzwischen durch mehrere Konterstudien ebenso widerlegt wie frühe Behauptungen, Musik bewirke am Arbeitsplatz per se gar nichts.
2005 fand die Amerikanerin Teresa Lesiuk heraus, dass Menschen unter dem Einfluss von Musik ihre Aufgaben schneller erledigen als jene, die sich nicht beschallen lassen. Auch die Ideen sprudelten besser. 2022 befragte die Organisationspsychologin Andrea Caputo 244 Arbeitnehmende über den Zusammenhang zwischen Musik, Arbeitszufriedenheit und Leistung. Das Ergebnis: „Die emotionale Nutzung von Musik steht in positivem Zusammenhang mit der Arbeitszufriedenheit.“ Heißt: Wenn Mitarbeiter während der Arbeit Musik hören, steigt die Arbeitsleistung und Zufriedenheit. Wie lässt sich das erklären? Glückshormon Dopamin wird ausgeschüttet
„Musik setzt bei uns gewisse Neurochemikalien frei“, heißt es in einem Artikel der Fachzeitschrift „Nature“. Etwa das Glückshormon Dopamin, das die Aufmerksamkeit steigert und motiviert, sprich die Leistungsbereitschaft anregt. Auch Oxytocin, ein Hormon, das bei sozialen Bindungen helfen kann, wird oft freigesetzt, sagt der Neurowissenschaftler Daniel Levitin. Während temporeiche Musikstücke angeblich für einfache Tätigkeiten hilfreich sein sollen, raten Forscher bei komplexeren Aufgaben zu ruhigeren Titeln. Hinzu kommen entspannende Naturgeräusche oder speziell für die Aktivierung verschiedener Hirnregionen konzipierte Sounds wie beispielsweise weißes, braunes oder pinkes Rauschen.
Die Arbeit bestimmt die Musikauswahl
Neben persönlichen Vorlieben bestimmen auch die auszuführenden Aufgaben die Musik, denn nicht jede Musik eignet sich für jede Aufgabe. Monotone Tätigkeiten etwa werden meist mit viel Routine erledigt. Ob Datenerfassung oder händische Verpackung von Kleinteilen, das Sortieren im Lager: Obwohl oft körperlich wenig anstrengend sind diese Tätigkeiten ermüdend, denn sowohl Körper als auch Geist sind kaum gefordert.
Laut dem Organisationspsychologen Manuel Gonzalez kann Musik „nicht nur produktiver machen, sondern auch einige unangenehme Emotionen lindern, die auftreten können, während man Routineaufgaben erledigt“. Dynamische, abwechslungsreiche Musik kann helfen. Ob Rock, Popmusik oder Rap, das Tempo der Musik steigert auch das eigene Arbeitstempo. Balladen und langsame Stücke bewirken eher das Gegenteil.

Stücke mit Gesang und Text vermeiden
Wenn die Tätigkeit hohe Konzentration und Genauigkeit erfordert, dann sollten Stücke mit Gesang und Text vermieden werden. Sie erschweren eindeutig die Konzentration auf komplexe Tätigkeiten. Besser geeignet sind hierbei Naturgeräusche wie das Plätschern eines Baches, Grillenzirpen, Gewitter. Klassische- und Instrumentalmusik mit passender Lautstärke sind gute Alternativen. Das Max-Planck-Institut hat in Studien nachgewiesen, dass man körperliche Anstrengung besser meistert, wenn dabei Musik läuft. Anscheinend verbrauchen die Muskeln weniger Energie für die gleiche Leistung, wenn das Gehirn bei kraftraubender Tätigkeit mit Musik beschäftigt ist. Dieses Wissen kann man sich bei körperlichen Tätigkeiten zunutze machen.
Organisationspsychologe Gonzalez betont aber auch: „Musikhören ist Multitasking und kann deswegen mit der Zeit erschöpfend wirken.“ Deswegen könne man Musik auch andersherum einsetzen, also in den Pausen. So drückt man quasi „den Reset-Knopf im Gehirn“ und schöpft wieder Energie. Statt Kaffee könne man also zehn bis 15 Minuten lang Musik hören, um sich zu motivieren, entspannen und wieder zu zentrieren.
Gezielter Einsatz
Um die Musik am Arbeitsplatz sinnvoll einzusetzen, sollte sie gezielt ausgewählt werden. So kann beispielsweise ruhige und entspannende Musik in stressigen Arbeitsphasen abgespielt werden, um die Arbeitnehmer zu beruhigen. Ebenso kann schnelle und motivierende Musik in Phasen hoher Arbeitsbelastung eingesetzt werden, um die Arbeitnehmer zu motivieren und zu Höchstleistungen anzuspornen. Dabei sollte jedoch immer darauf geachtet werden, dass die Musik nicht zu laut ist und die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet werden.
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