Körpersprache ist die Sprache der Gefühle
Stefan Verra verrät im Interview, wie wir die verschiedenen körpersprachlichen Signale und Ausdrucksmöglichkeiten richtig verstehen und erfolgreich einsetzen können
Von Nannette Hoffmann
Stefan Verra ist einer der gefragtesten Körpersprache-Experten im europäischen Raum. Seine Vorträge, Seminare und Shows begeistern jährlich zehntausende Teilnehmer von Europa über die USA bis China. Er entschlüsselt unsere Körpersprache wissenschaftlich-fundiert und humorvoll wie kein anderer und gibt Tipps, wie wir uns und andere besser verstehen. Im Interview erklärt er was Körpersprache ist, wie sie eingesetzt wird, was sie bewirkt und warum sie oft falsch verstanden wird. Und er geht der Frage nach, mit welcher Körpersprache ich es an die Spitze im Unternehmen schaffe.
„Es gibt keine ‚falsche‘ beziehungsweise ‚richtige‘ Körpersprache. Wir zeigen nur manchmal Mimik oder Gestik, die nicht zur Situation passt.“
Stefan Verra
Was ist alles Körpersprache?
Gestik, Mimik, auch die Art des Gehens. Zur non-verbalen Kommunikation zählen all unsere Bewegungen. Aber Achtung: Auch das Vermeiden von Bewegungen sendet ein Signal aus. Besonders ein „Pokerface“, also das vermeintliche Vermeiden jeglicher Regung, ist ein starkes Signal. Wenn man dem Partner euphorisch vom Tag erzählt und der mit versteinerter Miene zuhört, löst das starke Emotionen aus. Zudem haben auch Kleidung und Statussymbole einen Einfluss. Wer mit einem lauten Sportwagen zum Bewerbungsgespräch einparkt, löst andere Gefühle aus, als würde er mit einem klapprigen Fahrrad anfahren.
Gibt es passende oder unpassende Körpersprache?
So ist die Frage richtig gestellt. Es gibt nämlich keine „falsche“ beziehungsweise „richtige“ Körpersprache. Wir zeigen nur manchmal Mimik oder Gestik, die nicht zur Situation passt. Die Kollegenschaft ist in bester, ausgelassener Stimmung, die Chefin kommt rein mit strenger, ernster Mimik. Damit hat sie die (positive) Dynamik nicht aufgenommen. Ihre Körpersprache war damit nicht falsch, aber für die Situation unpassend.
Was kann Körpersprache bewirken, was sagt sie über mich als Mensch aus?
Vielleicht zuerst, was Körpersprache nicht kann. Sie kann keine konkrete Information übermitteln. Daten, Zahlen Fakten ist mit Gestik nicht vermittelbar. Umgekehrt können Worte aber niemals Emotionen vermitteln. Auch wenn wir sagen: „Ich freue mich Ihnen mitteilen zu können“ zeigt erst die Körpersprache, ob sich der Redende wirklich freut. Körpersprache gibt uns also eine Information, wie wir die Information zu verstehen haben. Man spricht also von Körpersprache als Information zweiter Ordnung. Kompetenz, Sympathie und Zielstrebigkeit vermittelt also immer die Körpersprache.
Tipp: YouTube-Kanal von Stefan Verra
Entdecken Sie auf dem YouTube-Kanal von Stefan Verra faszinierende Erkenntnisse über die menschliche Körpersprache. In den ersten Augenblicken einer Begegnung treffen wir oft schnelle Einschätzungen über andere Menschen. Stefan Verra zeigt auf wissenschaftliche Weise, wie diese Einschätzungen auf unserer Körpersprache basieren.
Mit Analysen, Tipps und Gedanken zum Thema Körpersprache bietet sein Kanal eine fundierte Auseinandersetzung mit diesem faszinierenden Aspekt der menschlichen Kommunikation. Wenn Sie Interesse an wissenschaftlichen Fakten und Grundprinzipien der Körpersprache haben und erfahren möchten, wie dieses Wissen Ihr tägliches Leben beeinflussen kann, dann sollten Sie diesen Kanal besuchen.
Was ist wichtiger, das Wort oder die Körpersprache?
Beides ist gleich wichtig. Denn beide Kanäle liefern unterschiedliche Informationen. Wenn wir also falsch verstanden werden, stimmt das Wort mit der Körpersprache nicht überein. Das Problem ist, dass wir uns nahezu ausschließlich auf die Worte vorbereiten. Wir kennen unsere besten Argumente, wissen genau, was wir inhaltlich sagen. Was unsere Augenbrauen oder unsere Gestik dabei macht, entgeht uns aber. Deswegen wirken wir manchmal anders, als wir eigentlich sind.
Kann ich Körpersprache beeinflussen, um in bestimmten Situationen Vorteile herauszuziehen?
Natürlich. Wer Sympathien ernten will, schafft das nur wenn er Signale der Sympathie aussendet. Und wer kompetent wirken will, aber (unbewusst) Arroganzsignale vermittelt, ist ungeschickt.
Ist Körpersprache dann noch authentisch?
Authentisch sein heißt, das zu tun, was wir gewohnt sind. Tun wir etwas, was neu für uns ist, fühlen wir uns unauthentisch. Deswegen fühlen sich manche Menschen eigenartig, wenn sie ein lächelndes Gesicht zeigen sollen. Ganz einfach, weil sie meist mit einer hängenden Mimik durch den Alltag gehen. Obwohl sie gar nicht schlecht drauf sind. Wir müssen also vieles einfach nur ein paar Tage praktizieren und schon wirkt es authentisch auf uns. Kleiner Tipp: Lächeln Sie immer, wenn Sie eine Türklinke anfassen. Damit üben Sie regelmäßig Ihre Lächelmuskeln. Ganz nebenbei betreten Sie jeden Raum ab jetzt freundlich.
NN-Regel
Um Klarheit zu signalisieren, ist eine eindeutige Körpersprache unabdingbar. Der Betroffene muss direkt angesprochen werden, nie von der Seite. Dazu wenden Sie ihm das erste N, die Nase, und dann auch das zweite N, den Nabel zu. Noch mehr Nachdrücklichkeit erreicht man mit ernster Miene.
Und wie erkenne ich, ob jemand authentisch ist oder nicht?
Das liegt immer im Auge des Betrachters. Für manche ist Trump authentisch, für andere spielt er das alles nur. Für uns heißt das: Wir können nur die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass uns möglichst viele Menschen als glaubwürdig einschätzen. Der Schlüssel dazu ist, sich seiner eigenen Signale bewusst zu sein. Denn selbst wenn Sie diese Worte jetzt lesen, wissen Sie nicht, wie Ihre Beine gerade stehen, was Ihre Gestik macht und vor allem, welchen Gesichtsausdruck Sie gerade zeigen. Aber genau nach diesen Signalen werden Sie von anderen eingeschätzt.
Was bringt es mir, Körpersprache selbst zu beherrschen?
Wer meint, seine Körpersprache zu „beherrschen“ ist ein Fall für die Psychiatrie. Sie passiert nämlich großteils in Gehirnregionen, die abseits unseres bewussten Verstandes liegen. Wir können also nur unsere Gewohnheiten so anpassen, dass wir unbewusst das Passende tun. Das geht in drei Schritten: 1. Bewusstmachung. 2. Die Regeln kennen. 3. Konsequent im Alltag einsetzen.
Und kann ich die Körpersprache anderer lesen?
Wir wissen nie (!), was im Inneren eines Menschen vorgeht. Wir können nur anhand seiner Körpersprache darauf schließen. So wie auch niemand weiß, was in uns emotional vorgeht. Manche Menschen schauen oft streng, was sie als grimmig rüberkommen lässt. Dabei sind sie gar nicht grimmig, sondern konzentrieren sich nur. Körpersprache ist also kein Geheimcode, den man entschlüsseln müsse. Vielmehr gilt: Wer oft als grimmig eingeschätzt wird, sollte sich überlegen, welche Signale er/sie aussendet, das andere zu dieser Einschätzung verleitet.
Stefan Verra zu Gast bei SWR1 Leute
Als Gast in der Radio-Sendung SWR1 Leute gibt Stefan Verra Einblicke in das Thema „Weibliche und männliche Körper-Signale verstehen“.
Wie kann ich gesprochene Inhalte mit Körpersprache so durchsetzen, dass sie meinem Gegenüber überzeugen?
Hier hilft die NN-Regel. Wichtiges niemals von der Seite oder über die Schulter sagen. Stattdessen die aktuelle Tätigkeit unterbrechen, NN, also Nase und Nabel dem Gegenüber zuwenden und mit ernster Mimik in den kürzest möglichen Worten den Punkt anbringen. Am Ende in dieser Haltung wortlos bleiben, bis eine Reaktion vom Gegenüber kommt. Damit hat die Körpersprache ihre Wirkung voll entfaltet.
Im Buch beschreiben Sie, dass Jungs sich immer miteinander messen, den Drang haben sich zu beweisen, und das bei vollem Körpereinsatz, weil es vor tausenden von Jahren schon so vorprogrammiert war – à la „der Stärkere kommt weiter, der Schwächere verliert“. Ist dieses Verhalten aus der Urzeit denn heute noch relevant?
„Der Stärkere kommt weiter, der Schwächere verliert“ stammt nicht von mir und ist Nonsens! Der/die Smartere gewinnt. Sonst wären nur Testosteronmännchen à la Schwarzenegger an der Macht. Und die sind die Ausnahme. Aber der Wille sich durchzusetzen und andere zu verdrängen ist sehr wohl bei Jungs im Schnitt stärker da. Sie haben bis zu 500 Prozent mehr Testosteron im Körper. Das führt zu dieser Tendenz im Verhalten.
7 Tipps für eine erfolgreiche Körpersprache im Job
- Lächeln Sie mehr – das erzeugt Bindung.
- Read the room – erkennen Sie, wie die Gefühlslage des Teams ist und fügen Sie sich ein.
- Wichtiges von Unwichtigem unterscheidbar machen: In entscheidenden Moment dürfen Sie eine bierernste Mimik machen.
- NN-Regel signalisiert vollen Fokus auf das Gegenüber.
- Der Wechsel von asymmetrischer zu symmetrischer Haltung verleiht Souveränität.
- Augen, Mund und Hände sichtbar halten: Das fördert Vertrauen.
- Sie sind immer auch die Ursache für die Körpersprache Ihres Gegenübers.
Sie sagen, Körpersprache ist universell. Aber Kopfbewegungen für Ja und Nein sagen nicht überall auf der Welt dasselbe aus. Im asiatischen Raum bedeuten geschlossene Augen bei einem Vortrag Aufmerksamkeit und Wertschätzung, ein konstanter Augenkontakt wird sogar als anzüglich empfunden. Worauf muss ich achten?
Hier sitzen Sie Halbwissen auf. Die Kopfbewegungen sind überall die gleichen. Wenn manche meinen, ein Nicken würde in manchen Regionen als Nein gelten, haben sie das nicht selber beobachtet, sondern geben wieder, was sie irgendwo gelesen haben. Es ist nämlich kein Nicken, sondern ein ruckartiges, leichtes Zurückwerfen des Kopfes. Im Übrigen machen wir das auch, wenn wir sagen: „Was is? Willst frech werden?“ Augen verschließen ist etwas Universelles. Unser Gehirn kann nur bestimmte Datenmengen aufnehmen. Deswegen schalten wir in besonderen Momenten gewisse Zugangskanäle aus. Konzentriert Musik hören tun wir dann eben mit geschlossenen Augen. Es ist mir also wichtig, mit derlei Halbwissen aufzuräumen, damit wir erkennen: Wir alle haben die gleiche Körpersprache. Wir unterscheiden uns nur in kleinen Zeichen. Das signalisiert Gruppenzugehörigkeit. Konkret: Vielleicht wissen wir nicht, wie sich Inder begrüßen. Aber ob die Begrüßung freundlich oder arrogant gemeint ist, erkennen wir immer.
Zur Person Stefan Verra
Stefan Verra, geb. 1973, ist einer der gefragtesten Körpersprache-Experten in Europa. Der in München lebende Österreicher beschäftigt sich seit über 20 Jahren intensiv mit der menschlichen Körpersprache. Der Bestsellerautor und Gastdozent mehrerer Universitäten bringt wissenschaftlich fundiertes Körpersprache-Know-how kompakt und leicht verständlich Organisationen wie der NATO, dem Fraunhofer-Institut sowie MedizinerInnen und JuristInnen näher. Er hält weltweit Vorträge und spricht dabei jährlich vor über 100 .000 Menschen. Seine Analysen werden regelmäßig in den Medien publiziert. Über 150 .000 Menschen verfolgen seine Körpersprache-Tipps auf Social-Media-Kanälen. Stefan Verra unterstützt mit seinem Wissen Menschen aus dem Autismusspektrum, Hospize und Trans-Menschen.
Wie kann non-verbale Kommunikation dazu beitragen, dass Chefs/Chefinnen akzeptiert und anerkannt werden?
Eine gute Führungskraft hat neben den Unternehmenszielen auch immer ein Auge auf die Stimmung des Teams. Freudig, energievoll? Niedergeschlagen, verärgert? Mittelmäßige ChefInnen erkennen es erst, wenn eine Umfrage ein entsprechendes Ergebnis bringt. Aber da ist es meist zu spät. Ein kleiner Hinweis: Freudige Bewegungen gehen tendenziell nach oben und sind schneller. Energielosigkeit erkennen wir an hängenden kleinen Gesten und Gesichtsausdrücken. Entsprechend muss man auch kommunizieren. Denn das Team muss das Gefühl haben, der/ die ChefIn spürt, wie es uns geht. Erst dann ist es bereit die Inhalte wohlwollend aufzunehmen.
Wie kann Chef/Chefin Wertschätzung mit Körpersprache ausdrücken?
Reagieren Sie schnell auf Ihr Gegenüber. Hat ein Mitarbeiter, eine Mitarbeiterin eine Frage, reagieren Sie sofort. Beten sie nicht erst Ihre PowerPoint-Folie fertig, beenden Sie nicht erst Ihre E-Mail. Stattdessen zeigen Sie sofort, dass Sie ihn/sie wahrgenommen haben. Sie müssen damit nicht alles liegen und stehen lassen, meist reicht erstmal die Reaktion des Wahrnehmens: „Ich sehe du hast eine Frage. Ich tippe nur schnell die E-Mail fertig und bin dann ganz bei dir.“
Ändert sich bei einer Frau in Führungsposition ihre Körpersprache?
Wenn sie klug ist, bleibt sie gleich. Denn wer meint „da oben“ bestimmte Signale unterdrücken zu müssen, wirkt gehemmt.
Buch
Das neueste Buch: „Körpersprache gendert nicht“ von Stefan Verra.
Er beleuchtet in seinem neuen Buch die Bedeutung männlicher und weiblicher Signale und wie sie unsere Erfolge beeinflussen. Stefan Verra erklärt, wie unser Verhalten, von Blickkontakt bis zu Körpersprache, unsere Wahrnehmung prägt. Dabei zeigt er, wie wir unsere Persönlichkeit anpassen können, um in Beruf, Beziehung und Familie erfolgreicher zu sein, unabhängig von Geschlechterstereotypen.
Mit welcher Körpersprache schaffe ich es an die Spitze im Unternehmen?
Die Körpersprache muss versprechen, die gewünschten Emotionen der Stakeholder zu erfüllen. Aufbruchstimmung in einem Unternehmen gewünscht? Dann ist eine temperamentvolle Körpersprache wichtig. Hohe Frequenz bei großer Amplitude, also schnelle und große Bewegungen, sind wichtig. Soll alles in stabilen Bahnen bleiben, dann sind ruhige Signale zielführender. Ein weiterer Tipp: Seien Sie mit Ihren Entscheidungen im Zweifel eher an der schnellen Seite. Beispiel: Wer Diskussionen im Team zu lange laufen lässt, löst automatisch Widerspruch aus. Deswegen rechtzeitig zum nächsten Punkt übergehen, das wirkt zielstrebiger.
Wie zeigt sich selbstsicheres Auftreten non-verbal und wirkt das vielleicht schnell arrogant?
Selbstsicher sein heißt, zu zeigen, dass man keine Angst vor momentanen Bedrohungen hat. Die selbstsichersten Menschen nehmen sich also Zeit für andere, zeigen eine lockere entspannte Haltung. Erkennbar zum Beispiel an der Asymmetrie der Haltung. Arroganz ist meist symmetrisch und zeigt wenige Signale der Zugewandtheit. So ist wohl Blickkontakt da, aber der kommt von oben und von der Seite. Der Selbstsichere setzt sich dazu, in lockerer Haltung und ist voll zugewandt.
In Zeiten von Homeoffice und Online-Meetings: Wozu brauche ich noch Körpersprache?
Aristoteles hat das Leben mit Bewegung gleichgesetzt. Solange wir also leben, haben wir eine Körpersprache. Im Homeoffice zählt alles gleich wie im Büro. Signale der Sympathie sind daheim in der Familie und im Videocall gleich wichtig wie im Büro. Durchsetzungsfähigkeit braucht es in der Firma, ebenso wie, wenn die Kinder „endlich ihr Zimmer aufräumen sollen“. Es gibt also keine Berufskörpersprache und keine Privatkörpersprache. Es gibt nur eine menschliche Körpersprache.
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Wirtschaftszeitung – Das Unternehmerblatt der Leipziger Volkszeitung wirtschaftszeitung@lvz.de; www.lvz.de
Fotos: Kay Blaschke, Ariston Verlag | Videos: Stefan Verra
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