So meistern Kliniken die Energiewende
Wie können Krankenhäuser mehr für den Klimaschutz tun? Zwei Beispiele aus der Region
Von Nannette Hoffmann
Die Klinik Bergmannstrost in Halle setzt auf recycelbares Material
Leben retten und gleichzeitig das Klima schützen – geht das in einem Krankenhaus zusammen? „Eindeutig ja“, sagt Thomas Hagdorn, Geschäftsführer des BG Klinikums Bergmannstrost in Halle (Saale), und ergänzt: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“ Für ihn steht fest, wenn jeder – also vom Chef über den Mitarbeitenden bis zum Azubi – das eigene Handeln in diese Richtung reflektiert, dann funktioniert es.
Die täglichen Herausforderungen eines Krankenhauses
Gleichwohl ist und bleibt die Hauptaufgabe eines Unfallkrankenhauses die Daseinsvorsorge. „Wir sichern für die Bevölkerung die Versorgung rund um die Uhr, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr – und das funktioniert nun mal nur mit Wasser, Strom und Energie“, betont Thomas Hagdorn. Dazu zählt auch eine sichere Kältetechnik. Denn es gibt eine Vielzahl an medizinischen Geräten und Anlagen, wie MRT oder CT, die nur mit einer bestimmten Temperatur einwandfrei funktionieren.
„Zudem müssen die OP-Räume oder die Intensivstationen immer gleichmäßig kühl und damit steril gehalten werden.“ Umgekehrt gebe es Bereiche, die in Summe beheizt werden müssen. „Ein Krankenhaus ist da abhängiger als eine Privatperson, die zur Not die Heizung herunterdrehen und wenn ihr kalt ist, eine Decke nehmen könnte. Unseren Brandverletzten kann ich keine Decke über den Körper legen, die müssen es von vornherein warm haben“, erklärt er.
Entsorgung und Abfall seien ebenso echte Herausforderungen. Laut Studien fallen in Krankenhäusern pro Patienten und Tag 400 Gramm Plastikmüll an. Aber: Allein schon aus hygienischen Gründen ist Kunststoff bei vielen medizinischen Erzeugnissen nicht wegzudenken: Spritzen, Schläuche, Handschuhe, Schutzkleidung kommen steril aus der Plastikverpackung. Hier greift das Klinikum aber vermehrt auf recycelbares Material zurück und bereitet Produkte, wie zum Beispiel Beatmungsschläuche, wieder selbst auf. Hinzu kommt „unreines Material“, also Dinge, die mit Blut oder Erregern in Kontakt gekommen sind, und das muss extra entsorgt werden. Und last but not least besitzt ein Krankenhaus auch große Mengen an kompostierbarem Abfall.
„Wir sichern für die Bevölkerung die Versorgung rund um die Uhr, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr – und das funktioniert nun mal nur mit Wasser, Strom und Energie.“
Thomas Hagdorn, Geschäftsführer des BG Klinikums Bergmannstrost
Diesen Herausforderungen zum Trotz widmet sich die Hallenser BG Klinik seit 2018 intensiv den Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Seitdem ist das Bergmannstrost auch Mitglied in der Energie-Initiative Halle (Saale) – einem Bündnis aus städtischen Einrichtungen, die sich höhere Energieeffizienz, geringere CO2-Emissionen und das Erreichen der Klimaneutralität zum Ziel gesetzt haben. Dadurch wurden die Themen auch Teil einer BG-Strategie.
„Das bedeutet, wir nehmen zuerst die Dinge in Angriff, mit denen das größte Einsparpotential möglich ist“, sagt Jan Richter, Ressortleiter Unternehmensentwicklung am Klinikum Bergmannstrost. Da das Klinikum, wie es selbst sagt, den Energiebedarf einer Kleinstadt hat, war klar, dass im Energie-Bereich das höchste Einsparpotenzial liegt. Seit 2006 bezieht das Bergmannstrost seine Fernwärme und -kälte vom Werk der Energieversorgung Halle Netz GmbH (EVH) in direkter Nachbarschaft des Klinikums.
„In einem neuen Gemeinschaftsprojekt wird nun unsere Abwärme im Rahmen einer Kraft-Wärme-Kopplung genutzt“, beschreibt Thomas Hagdorn. Das heißt, die Abwärme des Krankenhauses wird zur Beheizung und Warmwasserbereitung für Hallenser Einwohnerinnen und Einwohner genutzt.
Außerdem läuft derzeit ein Antrag auf eine neue Wärmepumpentechnik, die nicht nur Räume und Wasser erwärmt, sondern den Überschuss an Kälte und Wärme weiter nutzbar macht. Die Einsparung verdeutlicht der Geschäftsführer in Zahlen: „Wir haben aktuell CO2-Emissionen für Kälte zum Kühlen der Geräte von 817 Tonnen pro Jahr. Mit dem neuen Verfahren verringern wir die Emissionen um 639 Tonnen auf nur noch 178 Tonnen pro Jahr.“
Zudem soll die Wärmepumpe mit einer Photovoltaikanlage kombiniert werden, um einen Teil der benötigten elektrischen Energie selbst zu erzeugen. Große Einsparungen im Strom erreichte die Klinik zum Beispiel bereits im vergangenen Jahr mit der Umstellung aller Leuchtmittel auf LED. „Auch bei der Beschaffung neuer elektrischer Geräte und von Medizintechnik wird auf mehr Energieeffizienz geachtet“, so Hagdorn weiter.
Vortrag im Klinikum Bergmannstrost
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Weiteres Einsparpotenzial in der Kantine und beim Fuhrpark
Einen weiteren Klimakiller, nämlich das Narkosegas, hat das Bergmannstrost ebenfalls eingedämmt. Laut Umweltschützern sollen Narkosegase weitaus schädlicher fürs Klima sein als reines Kohlendioxid. „Zum einen haben wir auf weniger umweltschädliches Narkosegas umgestellt. Und zum anderen fangen wir entweichendes Gas in Filtern auf. Damit wird es so nicht in die Umwelt abgegeben und kann sicher in den Filtern entsorgt werden“, so Thomas Hagdorn. Auch in der Kantine wurde umgestellt.
„Wir verarbeiten jetzt weniger Fleisch, bieten mehr vegane und vegetarische Nahrungsmittel an und beziehen die Produkte von regionalen Anbietern“, erklärt der Geschäftsführer weiter. Zudem wurde der Fuhrpark drastisch reduziert und stattdessen wird gerade das Dienstrad eingeführt. Und wer doch noch mit dem Dienstwagen unterwegs sein muss, kann auf das hauseigene Wasserstofffahrzeug sowie auf das Elektrofahrzeug zurückgreifen. Letztlich wird bereits seit Jahren mit einer intelligenten Gebäudeautomation gearbeitet, die Heizung, Klimatisierung, Lüftung, Beleuchtung und Verschattung selbstständig regelt. „Damit sind Einsparungen bis zu 25 Prozent möglich“, so Jan Richter.
Wissen teilen, um voranzukommen
Für die Umsetzung all der Einspar-Ideen und Projekte sucht sich das BG Klinikum Bergmannstrost starke Partner. „Nur so kann Nachhaltigkeit gelingen“, betont Jan Richter. Voraussetzung sei, zu wissen, wo was anfällt, um Strategien dagegen zu entwickeln. Daher habe sich das Klinikum vor Kurzen dafür entschieden Mitglied der internationalen Initiative „Global Green and Healthy Hospital“ zu werden. „Hier finden sich Partner auf internationaler Ebene und enormes Wissen. Wir können uns untereinander austauschen, Anwendungsbeispiele anderer Krankenhäuser kennenlernen und selbst Lösungen einbringen“, sagt Hagdorn – frei nach dem Motto: Wissen vermehrt sich, wenn man es teilt.
„Wir hören nicht auf. Wir suchen weiter nach individuellen Lösungen für unser Ziel, bis 2045 klimaneutral zu agieren.“
Jan Richter, Ressortleiter Unternehmensentwicklung am Klinikum Bergmannstrost
Finanzierung des Klimaschutzes hat Grenzen
Wie all diese Klima-Projekte finanziert werden können, erklärt sich eigentlich von selbst: „Vieles refinanziert sich schon durch die Einsparung selbst“, betont Thomas Hagdorn. Ansonsten stamme der überwiegende Teil aus Eigenmitteln und aus Geld der Eigentümer, also der gesetzlichen Unfallversicherung sowie öffentlichen Fördergeldern.
Allerdings habe auch die Finanzierung ihre Grenzen. So sei auch die BG Klinik an das EU-weite Vergaberecht gebunden. „Das heißt, wir müssen europaweit ausschreiben und den Anbieter mit dem niedrigsten Preis nehmen. Nachhaltigkeit spielt dabei oft eine untergeordnete Rolle.“ Das sei traurige Realität. Zugleich könne ein gemeinnütziges Krankenhaus, wie das Bergmannstrost, über die Mittel, die es bekommt, nicht frei verfügen. „Wir müssen über jede Ausgabe Rechenschaft ablegen“, bestätigt Jan Richter.
Aber: Allen Widrigkeiten zum Trotz hat es das BG Klinikum Bergmannstrost geschafft, seinen eigenen ökologischen Fußabdruck deutlich zu verringern. „Und wir hören nicht auf. Wir suchen weiter nach individuellen Lösungen für unser Ziel, bis 2045 klimaneutral zu agieren“, so Jan Richter. Ein ambitioniertes Ziel, ja, aber für die BG Klinik ein unumgängliches, um der Zukunft Rechnung zu tragen und damit auch den Menschen.
Mit einem Masterplan in eine klimafreundliche Zukunft
Mit dem innovativen und einzigartigen Modellprojekt „KUWEA“ zur energetischen Optimierung des Klinikums St. Georg ist das städtische Krankenhaus einen großen Schritt in Richtung Klimaschutz gegangen. Im Interview beantwortet Dr. Iris Minde, Geschäftsführerin des Klinikums St. Georg, wie es für die Klinik bei diesem Thema weitergeht.
Dr. Iris Minde ist Geschäftsführerin des Klinikums St. Georg.
Frau Dr. Minde, beim Aufstellen des Großspeichers zur Lastspitzenreduktion in Juli sagten Sie, dass sich das St. Georg auf dem Weg zu einem modernen, grünen Krankenhaus befindet. Welche Klimaschutz- und Nachhaltigkeits-Maßnahmen unternimmt die Klinik noch?
Das Klinikum St. Georg hat vor etwa drei Jahren begonnen, einen baulichen Masterplan für seinen Hauptstandort in der Delitzscher Straße zu erarbeiten. Ein Teil dieses Masterplans widmet sich dem Thema Energieversorgung, insbesondere mit der Maßgabe der Nutzung von regenerativer Energiearten. Die L-Gruppe unterstützt uns bei der Planung.
Die Realisierung konkreter Einzelmaßnahmen beginnt ab 2024 und umfasst folgende Punkte:
- Nutzung von Solarenergie durch Photovoltaikanlagen, insbesondere bei den geplanten Neubauten. In Abstimmung mit dem Amt für Denkmalschutz wird ein Dachaufbau auf die denkmalgeschützten Gebäude im Einzelfall geprüft.
- Nutzung von „klimafreundlicher“ Fernwärme zur Beheizung der Gebäude. Bis 2028 soll der größte Teil der Klinikumsgebäude auf Fernwärmeversorgung umgestellt sein. Dafür sind Investitionen in das Leitungsnetz und Übergabestationen erforderlich. Ab 2028 soll es keine Wärmerzeugung durch Verbrennung von Erdgas mehr geben.
- Ausbau des Speichersystems für Elektro- und Wärmenergie Nutzung von Erd- und Luftwärme durch Wärmepumpen
Ein weiterer Teil des Masterplans widmet sich dem Wassermanagement und Umweltmanagement. Die Realisierung konkreter Einzelmaßnahmen beginnt auch hier ab 2024 mit folgenden Maßnahmen:
- Ausbau des Wasserspeicherungssystems, insbesondere auf den Dächern der großen Neubauten.
- Revitalisierung des Gewässer auf der Liegenschaft.
- Renaturierung bisher versiegelter Liegenschaftsflächen.
- Erneuerung des Baum- und Pflanzenbestands in enger Abstimmung mit dem Amt für Denkmalpflege.
Warum ist es für das Klinikum wichtig, sich mit Fragen des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit intensiv zu beschäftigen
Selbstverständlich kommt das Klinikum St. Georg seiner Verantwortung als kommunales Unternehmen nach, und versucht, den Ansprüchen der Bevölkerung gerecht zu werden. Eine stabile Gesundheitsversorgung ist du bleibt dabei unser Hauptziel. Weitere Maßnahmen gelten dem Umwelt- und Klimaschutz.
Zudem ist wirtschaftlicher Erfolg nur erreichbar, wenn sozialer, technischer und klimatischer Wandel gesehen und gemanagt wird. Die Verantwortung für das Klinikum selbst ist einer unser Antriebsquellen für Veränderung.
Der Marburger Bund will, dass die Krankenhauslandschaft bis spätestens 2030 klimaneutral wird. Ist das in Ihren Augen umsetzbar?
Klimaneutralität lässt sich nicht im „Kleinen“ erreichen. Es gilt es, ein geeignetes Konzept für Deutschland und darüber hinaus zu entwickeln. Wir gehen aufgrund der aktuellen Tendenzen in der Energie- und Umweltpolitik nicht davon aus, dass Klimaneutralität bis 2030 erreichbar ist. Insbesondere für energieintensive Unternehmen, wie zum Beispiel große Krankenhäuser, wird Klimaneutralität ohne generalistische Maßnahmen nicht möglich sein. Ein genaues Datum zu zum Erreichen einer klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft ist für uns derzeit nicht zu benennen.
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Fotos und Videos: Jan Pauls, Steffen Schellhorn, André Kempner, BG Klinikum Bergmannstrost Halle
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