„Tetris auf hohem Niveau“
Grit Barth ist seit fast einem halben Jahr Leiterin des DHL-Paketzentrums Leipzig. Hier sorgt sie für einen reibungslosen Ablauf, damit 3 Millionen Menschen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und und Teilen Brandenburgs ihre Pakete pünktlich erhalten.
Von Nannette Hoffmann
Ein ohrenbetäubender Lärm empfängt einen beim Betreten des DHL-Paketzentrums in Leipzig. In der riesigen Halle laufen zahlreiche Bänder mit Paketen in luftiger Höhe über die Köpfe der Mitarbeiter hinweg. Und noch eines fällt auf: Hier wird im wahrsten Sinne des Wortes angepackt. Meterhohe Rollbehälter – randvoll mit Paketen – werden gerade in verschiedene Richtungen geschoben, ein Zugwagen zieht eine Schnur aus weiteren Behältern durch die Halle ans andere Ende. Zahlreiche Hände greifen sich große und kleine Pakete und legen sie aufs Band. Die übergroßen müssen sogar händisch verteilt werden. Die passen auf kein Band.
Dann ein Signal und rote Leuchten blinken. Betriebstechniker Peter Vogel schnappt sich sein Fahrrad und radelt durch die Menge, um die Störung am Fließband zu beheben. Währenddessen hat Aufsicht Ronny Schaaf ein Band genau im Blick, stürmt in Windeseile nach vorn und schiebt das Paket noch rechtzeitig vor den Scanner, ehe es einen Stau auf dem Band verursachen kann.
Präsenz zeigen und offenes Ohr haben
Und inmitten dieses Gewusels steht Grit Barth. Sie ist seit fünf Monaten die Leiterin des Leipziger Paketzentrums. Ihre Lippen umspielt ein herzliches Lächeln. „Du hast wieder allerhand zu tun“, ruft sie Ronny Schaaf zu. Der lächelt zurück und entgegnet: „Klar, warum auch nicht?“ und entschwindet auch schon wieder. Als Grit Barth sich umdreht, kommt Steffi Leupold auf sie zu. Es gibt ein Problem beim Verladen. Grit Barth hört aufmerksam zu und hat sogleich eine Antwort parat. Betriebstechniker Peter Vogel kommt inzwischen mit seinem Rad an ihr vorbei und strahlt: „Anlage läuft wieder.“ Grit Barths Daumen geht hoch.
Zeit für einen Spaß zwischendurch muss auch sein: Grit Barth und Jürgen Junghans
Grit Barth ist an diesem Tag in der Halle unterwegs, um „ihr Team“ zu treffen. „Ich möchte jeden meiner Mitarbeiter kennen“, sagt die 38-Jährige. Deshalb begleitet sie aktiv den Drei-Schicht-Betrieb, zu jeder Zeit ist sie hier. Ihr Ziel: Mit den Mitarbeitern zu sprechen, sich kurz auszutauschen, ob alles läuft oder wo es Probleme gibt, und auch einfach mal, um Hallo zu sagen. „Es ist wichtig Präsenz zu zeigen und ein offenes Ohr zu haben.“
Ein LKW hat gerade an der Rampe angedockt und schiebt seinen Container in Richtung Sortieranlage. Ein weiterer Mitarbeiter im Endstellenbereich des Paketzentrums steht am Band und stapelt nun alle sortierten Sendungen für ein Zustellort im Bundesgebiet in den Container. „Das ist wie Tetris auf hohem Niveau“, sagt sie. Auf ihrem Weg zurück ins Büro nimmt sie sich dann noch die Zeit für einen Scherz mit Jürgen Junghans.
Blick ins Paketzentrum
Ein Leben für die Logistik
Grit Barth ist keine Unbekannte. Seit ihrem dualen Studium der Logistik ist sie mit dem Unternehmen DHL verbunden. „Ich hätte auch etwas anderes studieren können“, scherzt sie. Und schnell wird klar, nein hätte sie nicht. Zudem liege ihr dieser Bereich schon aus familiären Gründen. „Meine Eltern haben eine Spedition.“ Was sie so toll an der Paketlogistik findet? „Die ganzen Prozesse sind so spannend, hier ist immer Action und jeden Tag erwartet dich eine neue Herausforderung“, schwärmt sie. Außerdem liebt sie die Menschen und den Trubel. „Das brauche ich irgendwie.“
Paket für Paket: Peter Kincses arbeitet am Vororder. Hier legt er alle Sendungen auf die Anlage
Nach ihrem Studium hat sie 2007 im Briefzentrum neben dem Paketzentrum Erfahrungen gesammelt, startete 2009 im Rahmen von zwei Projekten zur Prozesssteuerung und Prozessoptimierung in einem Brief- und in einem Paketzentrum so richtig durch und übernahm 2011 dann die Führung des internationalen Frachtzentrums in Leipzig. Da sie aus Oschatz stammt, war es ihr wichtig, nach den zwei Projektjahren zurück in die Heimat zu kommen.
Doch ihr Werdegang ging weiter nach oben. 2018 erhielt sie die Möglichkeit, als Betriebsleiterin die Zustellstützpunkte im Bereich Torgau zu verantworten. Und seit Mai dieses Jahres leitet sie das Paketzentrum Leipzig und ist damit für mehr als 400 Mitarbeiter die erste Ansprechpartnerin und verantwortlich dafür, dass etwa 3 Millionen Menschen im Einzugsgebiet mit den Postleitzahlen 04, 06, und 09 ihre Paketsendung erhalten.
„Wir transportieren die Sendungen schnell an ihre Zielorte und garantieren die Zustellung zu einem definierten Zeitpunkt – und zwar am nächsten Tag.“
Grit Barth Leiterin des Leipziger Paketzentrums
Damit das gewährleistet wird, leistet die Anlage in Leipzig allerhand: Zwei sogenannte Hauptsorter verteilen die Pakete auf verschiedene Ziele. Ein Scanner liest die Adresse der Sendung via Etikett und findet automatisch den schnellsten Weg für das Paket, um ans Endziel zu gelangen – nämlich den gelben LKW, der die Ware an die Zustellstützpunkte verteilt. Dabei verbringt ein Paket im Durchschnitt zwei bis drei Minuten auf dem Band.
Sechs Prozent der Pakete, die in Leipzig eingeliefert werden, gehen in die genannten Postleitzahlgebiete, der Rest wird deutschlandweit verteilt. „Und zu 80 Prozent halten wir unser Versprechen und liefern das Paket am nächsten Tag aus“, sagt Grit Barth. Für sie eine tolle Leistung.
Immer mobil: Betriebstechniker Peter Vogel muss bei Störungen schnell am Einsatzort sein, damit die Anlage wieder läuft.
Vertrauensbasis schaffen
Sie weiß, dass die Arbeit im Paketzentrum ein anspruchsvoller Job ist, vor allem körperlich. „Hier wird vieles noch in Handarbeit erledigt.“ Die Sortierung übernimmt zwar die Anlage, aber das Ausladen und auf die Anlage legen sowie das wieder Einladen können beispielsweise nur per Hand erledigt werden. „Dafür brauche ich engagierte und zuverlässige Mitarbeiter, die für ihren Job brennen“, beschreibt sie. Ihr Team zu motivieren, jeden Tag das Optimum zu leisten, sei eine ihrer Aufgaben als Chefin. Dabei spiele es in ihren Augen eine wesentliche Rolle, wie sie auftritt. „Ich bin ein offener und freundlicher Mensch, das merkt man sofort. Klar, wenn ich lächle, dann bekomme ich das auch zurück. Aber nur im Team können wir etwas schaffen. Deshalb ist mir eine Kommunikation auf Augenhöge sehr wichtig, nur so schaffe ich Vertrauen“, betont sie.
Besonderheiten des Paketzentrums
Das Leipziger Paketzentrum bietet zwei Besonderheiten: Zum einen ist hier das internationale DHL-Frachtzentrum angeschlossen. Das heißt, von hier aus werden alle Waren des In- und Export mit Destinationen Richtung Osteuropa, verschickt.
Zum anderen ist die zentrale Postverzollung ebenfalls am Paketzentrum angesiedelt. „Sendungen aus Nicht-EU-Ländern müssen hier deklariert und vom deutschen Zoll freigegeben werden“, erklärt Grit Barth. Erst dann gelangen sie an den Empfänger.
Das sei gerade in auftragsstarken Zeiten wichtig und spielt auf das bevorstehende Weihnachtsgeschäft an. Das beginnt laut Grit Barth nach dem Buß- und Bettag. Dann steigen die Mengen rapide nach oben. „Bei voller Auslastung kann die Anlage bis zu 32.000 Sendungen in der Stunde sortieren. Für die Weihnachtszeit bedeutet das 540.000 Sendungen pro Tag.“ Oder anders gesagt: 1000 bis 1500 Sendungen gehen pro Schicht durch die Hände jedes einzelnen Mitarbeiters.
DHL arbeitet mit Prognosen. „Bereits im Sommer haben wir begonnen nach den Vorjahren die Prognose für das diesjährige Weihnachtsgeschäft zu erstellen.“Heißt: Es muss geplant werden, wie viele LKWs werden zusätzlich benötigt und wie viele Mitarbeiter mehr. „Gerade, was das Personal angeht, benötigen wir 25 Prozent mehr helfende Hände“, berichtet Grit Barth. Abdecken könne man dies über Leiharbeiter, Saisonkräfte, Studenten oder auch Vorruheständler.
Alles im Blick: Aufsicht Ronny Schaaf kontrolliert das Sortierband, damit sich nichts verfängt.
Familie ist das Back-up für diesen Job
Dass dann auch ihr Arbeitsalltag stressiger wird, weiß Grit Barth. Dennoch hat sie sich bewusst für diesen Job entschieden. „Mein Herz schlägt einfach für die Logistik.“ Zudem stehe sie nicht allein. „Wir hier im Osten waren schon immer ‚frauenlastig‘, auch auf Leitungsebene“, meint sie. Aufgrund dessen habe sie sich auch bewusst für DHL als Arbeitgeber entschieden. „Sie fördern Frauen und besetzen aktiv Führungspositionen mit Frauen.“ Das merke sie in ihren alltäglichen Leitungssitzungen.
Frauenanteil in Leipzig hoch
Mit der Strategie 2025 setzte sich die Deutsche Post DHL Group bereits 2019 das Ziel, den Frauenanteil im oberen und mittleren Management bis 2025 auf mindestens 30 Prozent zu erhöhen. Im Führungskreis der Niederlassung Leipzig ist diese Zahl bereits übertroffen worden (50/50).
Gleichwohl wisse sie, dass sie die Flexibilität, die sie für diesen Job braucht, nur hat, dank eines durchstrukturierten Back-ups zu Hause. Grit Barth hat eine Tochter und die muss betreut werden. „Da springen glücklicherweise Omas und Opas, Onkel und Tanten ein.“ Das sei auch der Grund, warum sie in der Region arbeiten wollte. Nun kann sie sich die Tage so einteilen, wie sie es braucht, um beiden Seiten – Familie und Arbeit – gerecht zu werden.
Und wenn Grit Barth selbst mal eine Auszeit braucht, macht sie Yoga, trifft Freunde oder verbringt Zeit in ihrem Garten. „Das habe ich in all meinen Jahren gelernt: Zu wissen, was ich brauche, was mir und meinem Körper guttut, um runter zu kommen oder mal zu entspannen.“
Diese Artikel könnte Sie auch interessieren...
In Berlin verteilt DHL Pakete auf dem Wasserweg – Projekt verlängert
Seit einem knappen Jahr läuft in Berlin ein Pilotprojekt von DHL, bei dem Pakete mit Solarschiffen über die Spree verteilt werden. Nun sollen die Routen ausgeweitet werden. Jetzt lesen auf lvz.de
Wirtschaftszeitung – Das Unternehmerblatt der Leipziger Volkszeitung wirtschaftszeitung@lvz.de; www.lvz.de
Fotos: Wolfgang Sens
Sie möchten die Printausgabe der LVZ Wirtschaftszeitung erhalten? Einfach hier gratis abonnieren.