Weltweite Wald-Wächter
Mehrfach ausgezeichnetes Leipziger Start-up Nadar macht sich für den Umweltschutz stark
Von Ulrich Milde
Ist die Zahl der Auszeichnungen, gemessen an der Lebensdauer des Unternehmens, ein Gradmesser, dann steht der Leipziger Nadar GmbH eine große Zukunft bevor. Das Unternehmen wurde 2022 gegründet und hat in der kurzen Zeit schon zwei bedeutende Belobigungen erhalten.
So wurde die Firma im Gründungswettbewerb digitale Innovationen des Bundeswirtschaftsministeriums geehrt, hat also bereits überregionale Relevanz erreicht. Und auch vor der eigenen Haustür gingen die Leipziger nicht leer aus: Sie holten sich im vorigen Jahr den begehrten IQ Innovationspreis Mitteldeutschland, der an neuartige, aber marktfähige Produkte und Dienstleistungen verliehen wird.
Sie verbindet die Leidenschaft für Wald und Natur: Caroline Busse, Marco Eberle und Hyeonmin Kang (von rechts) vom Start-Up Nadar
Die drei Gründer Caroline Busse (27), Marco Eberle (28) und Hyeonmin Kang (32) haben eine Cloud-basierte Plattform zur Optimierung der Waldüberwachung entwickelt. Mithilfe von künstlicher Intelligenz werden Erkenntnisse aus mehreren Satellitendatenquellen gewonnen: optische Satellitenbilder, Synthetic Aperture Radar (SAR) und satellitengestütztes LiDAR.
SAR liefert eine zweidimensionale Darstellung des Geländeausschnitts durch das Abtasten der Erdoberfläche mit elektromagnetischen Wellen. LiDAR steht für „light detection and ranging“ und heißt so viel wie lichtgestützte Objekterkennung und Abstandsmessung. Gearbeitet wird hierbei mit Laserstrahlen, beim Radar werden Radiowellen genutzt.
Einsatz von künstlicher Intelligenz
Mit diesen Methoden bietet das Erdbeobachtungs-Start-up die Vision, für einen besseren Schutz der natürlichen Ressourcen zu sorgen. Mit den gewonnenen Satellitenbildern und künstlicher Intelligenz können zahlreiche Waldparameter rund um den Globus, in jedem Gebiet der Welt, analysiert werden.
Nadar fungiert also auch als Frühwarn- und Überwachungssystem von Waldschäden. Und das alles hat einen ernsthaften geschäftlichen Hintergrund. Unternehmen können mit dem Kauf von CO2-Zertifikaten ihre Klimabilanz aufbessern. Diese Bescheinigungen sollen belegen, dass in einem anderen Teil der Welt dieser Schadstoff eingespart wird.
Firmen, die fossile Brennstoffe absetzen, müssen Emissionsrechte erwerben, um CO2 emittieren zu dürfen. Wer weniger ausstößt, kann seine Rechte an andere veräußern. Generell soll die Zahl der Zertifikate verringert werden, um so den Treibhausgasausstoß insgesamt zu reduzieren.
IQ Innovationspreis Leipzig 2023
Der IQ Innovationspreis Leipzig 2023 ging an die Nadar GmbH. Hier das Preisträgervideo.
Milliardenschweres Geschäft
Die wertvollste Ressource für den Klimaschutz ist dabei der Wald, der große Mengen Treibhausgase aufnimmt. Erhält man den eigenen Waldbestand oder forstet auf, kann man CO2-Zertifikate weltweit verkaufen. Ein milliardenschweres Geschäft in einem unübersichtlichen Markt, auf dem mit oft falschen Angaben Greenwashing mit Waldschutzprogrammen betrieben wird.
Dem stellt sich Nadar in den Weg. Ein Algorithmus ermittelt aus Daten punktgenau, wie sich ein Wald konkret entwickelt, an jedem Ort. So können alle Beteiligten im Zertifikate- Markt zweifelsfrei und transparent belegen, wie hoch der Beitrag eines Waldes zum Klimaschutz tatsächlich ist.
Die Leipziger Wächter wollen mit ihrer Plattform weltweit über zwölf Millionen Hektar Wald schützen, der 127 Millionen Tonnen CO2 speichern kann.
Verschiedene Fähigkeiten
Die drei Firmengründer lernten sich im Studium in München und Würzburg kennen. Neben ihrem Engagement für den Schutz der Umwelt kamen verschiedene Fähigkeiten zusammen, die offenkundig passen.
Busse, eine gebürtige Leipzigerin, die jetzt als Vorstandschefin fungiert, ist Datenwissenschaftlerin und arbeitete unter anderem für die Umweltschutzorganisation WWF. Die Südkoreanerin Kang ist Forstwissenschaftlerin, kennt sich also mit Wäldern perfekt aus und ist für die Analyse der Bilder zuständig. Eberle stammt aus dem Schwäbischen. Der Informatiker war früher unter anderem für Siemens tätig.
Eigentlich, erzählt Busse, hatte sie erst an Drohnen gedacht, um die Geschäftsidee umzusetzen. Aber Daten und Bilder von frei zugänglichen Satelliten „sind besser zu analysieren“. Früher sei oft nur geschätzt worden, wie und wo CO2 gebunden worden sei, mithin „wie viele Zertifikate verkauft werden können“. Eine für sie unbefriedigende Art und Weise.
Hoffnung auf EU-Verordnung
„Wir sind eine Art unabhängige Instanz“, berichtet Busse. Es werde ein skalierbares Produkt angeboten, Software as a Service (SaaS). Was bedeutet, dass der Kunde die Nadar- Software nicht auf seinem Rechner installiert, sondern die angebotenen Dienstleistungen und Anwendungen online und gegen Gebühr nutzt, meist monatlich oder jährlich.
Vorteil: Das Unternehmen, das die Software nutzt, spart erhebliche Kosten. Nadar wiederum hat die Möglichkeit, die Software stetig weiterzuentwickeln und zu optimieren.
Sie sind Nadar: Caroline Busse, Marco Eberle und Hyeonmin Kang (von links).
Die Aussichten sind gut. Eine mit großer Wahrscheinlichkeit kommende Verordnung der Europäischen Union über entwaldungsfreie Lieferketten dürfte die Umsätze von Nadar beflügeln.
So können Hochrisiko-Farmen in der Lieferkette mithilfe der Satellitendaten ausfindig gemacht werden – werden die künftigen Vorschriften eingehalten, entgehen Firmen Strafen. Sofern sie nachweisen, dass sie mit dem Import von Rohstoffen wie Kaffee und Soja, Kautschuk und Holz die Wälder schützen. Denn aus entwaldeten Gebieten darf dann nichts mehr bezogen werden.
„Das ist eine große Chance für uns, einen neuen Markt zu erschließen“, sagt Busse. Schließlich stelle diese Verordnung „den weltweiten Rohstoffmarkt auf den Kopf“, meint Eberle. Busse sieht ihren Betrieb auf einem guten Weg, Wachstum ist programmiert. Wobei die Finanzierung aus den generierten Erlösen erfolgen soll, ein Investor wird nicht gesucht. „Man kann nur Nachhaltigkeit predigen, wenn man selbst nachhaltig arbeitet“, formuliert es Eberle.
Fotos: André Kempner
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