Unternehmensporträt
Eine kam durch
Röstfein hat als einzige von sieben Kaffeeröstereien der DDR überlebt
Von Ulrich Milde
Einer Legende nach hing die Moral der sächsischen Armee im Siebenjährigen Krieg im 18. Jahrhundert maßgeblich davon ab, ob es Kaffee gab oder nicht.
Als die Soldaten nach der Kapitulation für Preußen kämpfen sollten, gab es Probleme. Friedrich der Zweite stellte die Krieger zur Rede. „Gans einfach, Herr Gönich: Ohne Gaffee gömmer ni gämpfn.“ Woraufhin Friedrich der Zweite von den „elenden Kaffeesachsen“ sprach.
Auch heute steht das Heißgetränk, gleich, ob als Filterkaffee, Espresso, Mokka, Cappuccino oder Latte Macchiato, in der Gunst der Verbraucher, nicht nur im Freistaat, weit oben. 167 Liter trank jeder Deutsche im Schnitt im Jahr 2022 – ein Spitzenwert. Mineralwasser kommt nur auf 130 Liter. „Kaffee ist krisenfest“, meint denn auch Holger Preibisch, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Kaffeeverbandes. Mit 479 700 Tonnen lagt der Absatz von Röstkaffee auf einem Rekordhoch.
1908 wurde der Grundstein für die Röstfein Kaffee GmbH in Magdeburg gelegt. Bis heute produziert das Unternehmen hier in der Hafenstraße.
Außer-Haus-Markt boomt
Der große Gewinner: die Gastronomie. Der Kaffeekonsum im Außer- Haus-Markt kletterte um rund 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Beim Verbrauch zu Hause lag das Segment „ganze Bohne“ im Trend: Dessen Marktanteil stieg 2022 um acht Prozent, beträgt inzwischen 44 Prozent und ist damit nahezu gleichauf mit gemahlenem Röstkaffee.
„Der Trend geht eindeutig wieder zum Kaffee“, bestätigt Ralf Dannehl, Vertriebschef der Magdeburger Röstfein Kaffee GmbH mit den speziell im Osten so bekannten Marken wie Rondo und Mona. „Man trifft sich wieder häufig auf einen Kaffee, auch junge Leute.“
Folglich sind die Magdeburger Kaffeeröster „stabil unterwegs“, berichtet Dannehl. Die 200 Beschäftigten verarbeiten am Firmensitz in der Nähe des Hafens jährlich rund 16.000 Tonnen Kaffee. Ein Drittel geht in die Eigenmarken, ein weiteres an Industriekunden und der Rest ist für Eigenmarken von Lebensmittelhändlern bestimmt.
Dieser Dreiklang gleicht Schwankungen aus, soll beibehalten werden und sichert das auskömmliche Überleben zwischen Branchenriesen wie Jacobs und den vielen kleinen Röstereien. „Das ist unsere Nische.“
Interne Optimierung
Der Umsatz lag 2023 bei 70 Millionen Euro. Das sind zwar rund 10 Millionen Euro mehr als 2021. Der Sprung ist aber im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass Rohkaffee – Röstfein bezieht ihn aus aller Welt – in den vergangenen Jahren deutlich teurer geworden ist.
„Der Preis für Rohkaffee hat sich fast verdoppelt.“ Erhöhungen, die nur zum Teil weitergeben werden konnten. „Den Rest müssen wir durch betriebsinterne Maßnahmen optimieren“, sagt Dannehl.
Als Gründe des heftigen Anstiegs nennt er schlechtere Ernten, etwa in Brasilien, dem größten Kaffeeerzeuger, aber auch zunehmenden weltweiten Verbrauch. Obendrauf kommen höhere Transport- und Energiekosten. Gleichwohl „schreiben wir schwarze Zahlen“, berichtet der Vertriebschef, ein gebürtiger Magdeburger, der vor drei Jahren in seine Heimatstadt zurückkam, zuvor lange Zeit im Management des Volkswagen- Konzerns in Wolfsburg tätig war.
Der Magdeburger Künstler „POke“ und Röstfein kreierten dieses Kunstwerk zur Geschichte des Kaffees.
Zahlen & Fakten:
- 1908: Das Unternehmen Kathreiners Malzkaffee-Fabriken beginnt mit dem Bau von Produktionsanlagen in Magdeburg
- 1912: Bei Kathreiner in Magdeburg wird Malzkaffee erstmals in großen Mengen industriell hergestellt.
- 1928: Die Produktion liegt aktuell bei 12.000 bis 14.000 Tonnen
- 1948/1950: Der Betrieb wird dem Verband der Konsumgenossenschaften (VdKeG) übertragen und erhält den Namen Röstfein
- 1981: Wissenschaftler entwicklen gemeinsam mit Röstfein das Wirbelschichtverfahren. Höhere Kaffeequalität bei geringeren Röstzeiten.
- 1990: Röstfein geht eine Kooperation mit einem namhaften Kaffeeproduzenten ein. Ein Jahr später erscheint wieder die erste Produktpalette aus dem Hause Röstfein: die GOURMET-Serie.
- 1997: Relaunch der Marke RONDO Melange
- 2007: Relaunch der Marke im nu
- 2008: Röstfein wird 100 Jahre alt
- 2009: Beitritt zum Common Code for the Coffee Community Association 4C für bessere Arbeitsbedingungen und Umweltstandards
- 2010: Größtes Kaffee-Graffiti Deutschlands entsteht am Röstfein-Werk
- 2012: Röstfein wird bis 2017 offizieller Sponsor des Handball-Bundesligisten SC Magdeburg
- 2018: 110 Jahre Röstfein
(Quelle: roestfein.de)
Lange Tradition
Die Firma blickt auf eine lange Tradition zurück. 1908 wurde das Unternehmen als Kathreiners Malzkaffeefabriken gegründet. Bis 1945 wurden die Malzkaffeesorten Kneipp Malzkaffee und Linde hergestellt. 1947 übernahm der Verband der Konsumgenossenschaften (heute: Zentralkonsum) das Werk, 1954 wurde erstmals Bohnenkaffee geröstet, der unter dem Namen Röstfein auf den Markt kam.
Nach der Wende stand das Unternehmen vor dem Aus. Doch der damalige Geschäftsführer Manfred Winkelmann schrieb westdeutsche Großproduzenten an. „Der Brief war noch warm, da standen schon die ersten Interessenten im Büro“, erinnert er sich. Durch diese Industriekooperation gelang es, am Markt zu bleiben – als einzige von sieben DDR-Röstereien.
„Obwohl Unternehmensberater in den 1990er-Jahren zum Verkauf beziehungsweise zur Abwicklung geraten hatten“, so Martin Bergner, Vorstandssprecher des Zentralkonsums. „Wir haben überlebt, weil wir der modernste Betrieb waren. Und vielleicht auch der mutigste“, blickt Winkelmann zurück.
Video: 100 Jahre Röstfein
Vorteil: Wirbelschichtverfahren
Damit spielt er auf das von Röstfein mithilfe von Magdeburger Wissenschaftlern entwickelte Wirbelschichtverfahren an. Dabei wird der Kaffee nicht in der Trommel geröstet, sondern fliegt durch 180 Grad heißen Wasserdampf.
Da die Bohnen die Trommelwände nicht mehr berühren, gibt es keine Verbrennungsverluste. Der Röstvorgang dauert nur noch drei statt zehn Minuten und liefert gleichmäßige Qualität. Ein beträchtlicher Effienzgewinn.
Im Jahr 1997 kam es zum Comeback des Rondo Melange. Der Kaffee hat sein Hauptabsatzgebiet weiter in den neuen Ländern. „Wir sind stolz darauf, ostdeutsch zu sein“, betont der Vertriebsverantwortliche. Die Bohnen finden aber auch Kunden im Westen der Republik sowie im Ausland, darunter die Mongolei und Namibia.
Gesunde Entwicklung
Gute Aussichten also für die Firma. „Wir sind an der Seite von Röstfein und unterstützen bei Investitionen und einem moderaten, gesunden Wachstum“, betont Zentralkonsum-Vorstandssprecher Bergner. Ziel sei nicht die Steigerung des Shareholder Value, „sondern eine gemeinsame gesunde Geschäftsentwicklung, bei der Mutter- und Tochterunternehmen auf Augenhöhe agieren“.
Wissenschaftliche Studien belegen, dass drei bis fünf Tassen Kaffee am Tag gesundheitsfördernde Eigenschaften besitzen. Gefährlich sei das Getränk nur, wenn jemandem ein ganzer Sack aus dem fünften Stock auf den Kopf falle, spottete einst Kaffeekönig Albert Darboven.
Der anglo-irische Erzähler und Theologe Jonathan Swift befand: „Die beste Methode, das Leben angenehm zu verbringen, ist, guten Kaffee zu trinken.“
Fotos: Ulrich Milde,Adobe Stock
Blick in die Produktpalette
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