Betriebe im Osten in die Zukunft führen - aber wie?
Dietrich Enk, Präsident des Unternehmerverbandes Sachsen fordert eine Priorisierung der dualen Ausbildung und Bürokratieabbau
Betriebe im Osten in die Zukunft führen - aber wie?
Dietrich Enk, Präsident des Unternehmerverbandes Sachsen fordert eine Priorisierung der dualen Ausbildung und Bürokratieabbau
Von Ulrich Milde
Die sächsische Politik muss der Bildung eine „hohe Priorität“ einräumen. Das fordert Dietrich Enk, Präsident des Unternehmerverbandes Sachsen, im Interview mit der LVZ-Wirtschaftszeitung.
Die Konjunktur schwächelt. Wie sieht die wirtschaftliche Lage im sächsischen Mittelstand aus?
Dietrich Enk: Überwiegend sind kleine und mittelständische Betriebe in Sachsen in einer kritischen Situation, Betriebe aller Branchen beklagen Produktivitätsrückgang, Kostensteigerung, zunehmend auch Auftragsrückgänge sowie Konsumverzicht. In zahlreichen westsächsischen Zulieferbetrieben steigen die Kurzarbeitsmeldungen, die Unternehmen wollen ihre Mitarbeiter natürlich binden, was die Liquidität strapaziert.
Wie sieht es im Handel und bei den Dienstleistungen aus?
Dort begegnen sich Fachkräftemangel und ein verändertes Konsumentenverhalten toxisch. Das sind große Herausforderungen, Betriebe profitabel zu halten und in die Zukunft zu führen.
Welches sind die größten Probleme?
„Es muss sich was ändern“, „Die Karten sollen neu gemischt werden“ – das ist so weit allen klar. Aber ein jeder pocht darauf, seinen Stand zu wahren und ja nicht den ersten Schritt gehen zu müssen. Kaum einer zieht zurück. Die erdrückende undurchschaubar explodierte Bürokratie. Selbst am Behörden-Dienstag sind wesentliche Entscheidungsträger und Ermöglicher nicht ans Telefon zu bekommen, um einem durch den Dschungel zu helfen. Ich empfinde ein sich vervielfachendes Bewusstsein, wonach sich die Fehllogik aufbaut, dass mit weniger Arbeit und Anstrengung dennoch mehr Geld, Sicherheit und persönliche Freiheit erwirkbar sind.
„Das grundsätzliche Problem scheint mir der Rückzug auf den ureigenen egoistischen Standpunkt zu sein.“
Dietrich Enk, Präsident Unternehmerverband Sachsen e.V.
Was ist das Problem Nummer eins?
Das grundsätzliche Problem scheint mir der Rückzug auf den ureigenen egoistischen Standpunkt zu sein. Der wirkt fast nicht verhandelbar und Gemeinsinn baut sich ab, im Betrieb, im Land, im Bund und besonders dramatisch spürbar in der Weltpolitik.
Wie sollte dem begegnet werden?
Unserer Gesellschaft ist in großen Teilen das Vermögen und die Motivation abhanden gekommen, politischen Diskurs zu führen. Das müssen wir neu aufsetzen und keiner kann sich da rausziehen. Das erleben wir ja auch gerade beim Thema Technologieoffenheit. Die Bundesregierung hat klare Leitplanken vorgegeben und Verbote erlassen, also eine Transformation erzwungen – okay, jetzt kommen aber Pandemie, verixtfache Energiepreise und steigende Arbeitskosten obendrauf.
Zudem wächst der Staat und wächst, kein Einbremsen in Sicht, keine Regulierung, getreu dem Motto „wer hat, der kann“. Jeder muss liefern und wir gehören zusammen, alle. Wir müssen unsere Gemeinschaft wertschätzen und uns aus unseren Bubblen herauswagen. Vor nicht langer Zeit haben die Menschen solche Zusammenhänge noch beim gemeinsamen Kirchgang und anschließenden Frühschoppen reguliert, ich spüre eine nostalgische Sehnsucht.
Rechnen Sie 2025 mit einer anziehenden Konjunktur?
Da bin ich kein Experte, aber allein die geplanten Rüstungsausgaben lassen vermuten, dass irgendwelche Zahlen kurz nach oben ausschlagen. Ich wünsche mir nachhaltiges Wachstum. Nachhaltigkeit und Produktivität – das liegt eng beisammen.
Der Unternehmerverband Sachsen e.V.
Der Unternehmerverband Sachsen wurde 1990 gegründet. Er versteht sich als Vertreter von vorwiegend kleinen und mittelständischen Betrieben. Hauptziele sind die Verbesserung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und die Unterstützung zur Entwicklung des einheimischen Mittelstandes.
Der Verband mit seinen 600 Mitgliedern vereint branchenübergreifend die Firmen zu einem Netzwerk. Die Spanne reicht vom Existenzgründer über den Handwerker und Unternehmer bis hin zur Führungskraft.
Die Regierungsbildung nach der Landtagswahl in Sachsen könnte schwierig werden. Was fordert der Unternehmerverband?
Wir wünschen allen dann gewählten Volksvertretern und Volksvertreterinnen viel Glück, ihrem Mandat im Sinne der Wohlfahrt unseres Landes gerecht zu werden. Alle müssen sich einig sein, dass die zu besetzenden Ministerien bestmögliche ideologiefreie Kompetenz benötigen. Der Bock ist kein guter Gärtner. Ein guter Gärtner, eine gute Gärtnerin für den Garten, das wär’s.
Werden die kleinen und mittel- ständischen Unternehmen (KMU) ausreichend gewürdigt?
Gewürdigt? Aber natürlich, meine Eltern sind stolz auf mich.
Die Anerkennung für Menschen, die ihren Lebensunterhalt selbstständig erwirtschaften, muss gehoben werden, in der Bildung, in der Gesellschaft, in der Behörde. Mich selbst hat es als junger Mensch regelrecht berauscht und extrem motiviert, dass ich in einer freien Gesellschaft ein selbstbestimmtes Leben führen kann und noch dazu eine selbstverantwortete Existenz aufbauen konnte.
Die Basis für innovative Motivation sind wir der jungen Generation schuldig, und sie wird fleißig und strebsam sein, wenn es aus ihrer Sicht Sinn macht und die Gesellschaft das anerkennt und wertschätzt. Nachhaltig und frei.
Es gibt massive Subventionen etwa für die Ansiedlung von Intel in Magdeburg. Wird das gut angelegtes Geld sein?
Bitte, ich vertrete die KMU und mühe mich seit Jahren, den tieferen Sinn von staatlicher Industrieförderpolitik zu erkennen. Wir im Verband fordern auf, das eine zu tun ohne das andere zu lassen.
Eine Kommune mit stabilem Mittelstand hat eine deutlich höhere Resilienz, kulturelle und intellektuelle Vielfalt, als wenn Monoindustrien mit internationalen Eignern sich vorübergehend einmieten. Wir brauchen auch hier Maß, Mitte, Weitblick und den Mut, das direkte Bürgerinteresse einzubinden.
Zur Person: Dietrich Enk
Dietrich Enk (51) steht seit 2019 als Nachfolger von Hartmut Bunsen an der Spitze des Unternehmerverbandes Sachsen.
Der Leipziger Großgastronom (unter anderem Max Enk, Pilot) erlernte den Beruf des Kochs, war als Schiffskoch und Proviantmeister auf Traditionsschulschiffen auf den Weltmeeren unterwegs und machte sich 1999 selbstständig.
Enk ist verheiratet, hat vier Kinder und ist auch sozial engagiert. So ist er Mitglied des Stiftungsrates der Stiftung der Leipziger Uni-Kinderklinik.
Sind Ansiedlungen ohne Subventionen noch denkbar?
Ja natürlich, es ist Aufgabe der Politik, Rahmenbedingungen für nachhaltige Entwicklung zu schaffen. In Leipzig ist es für einheimische Unternehmen mit Flächenbedarf enorm schwer zu expandieren. Es gibt quasi keinen Bestandsschutz oder Vorteil, dass man schon am Standort ist. Industriesubventionen fallen nicht vom Himmel, sondern werden zum größten Teil in KMU erwirtschaftet. Subventionsfreie sächsische Innovation im Mittelstand, natürlich gibt es die.
Wären die Mittel in Bildung sinnvoller investiert?
Die Qualität der Schulausbildung ist entscheidend für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Natürlich erwarten wir, dass sächsische Politik der Bildung hohe Priorität einräumt. Auch eine Priorisierung dualer Ausbildung ist wünschenswert, der Anteil beruflicher Bildung sollte um mindestens 30 Prozent steigen. Dafür können steuerliche Anreize für junge Menschen eingeräumt werden, die einen Beruf erlernen, ebenso müssen Azubis von Sozialabgaben befreit werden
Zurück zur Bürokratie: Wie dringend ist der Abbau?
Politik und Verwaltung befördern unnötiges Misstrauen gegenüber Unternehmen in unserer Zivil- und Wertegemeinschaft. Eine als übergriffig und inzwischen anmaßend empfundene Bürokratisierung bindet in Unternehmen Kapazitäten, verhindert Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen, Innovation und Kreativität und grenzt die Unternehmen zunehmend vom internationalen Markt und Wettbewerb aus.
Die kleinen und mittelständischen Unternehmen sind besonders betroffen?
Eindeutig ja. Die Vorschriften binden oft erhebliche Ressourcen für die Umsetzung, die bei den KMU zulasten der produktiven Prozesse gehen. Es gilt, jeglichen Verwaltungsaufwuchs zu verhindern. Viel hilfreicher wäre es, bestehende Ämter neu zu organisieren und Verwaltungsangestellte umfassender einzusetzen und natürlich die Digitalisierung voranzutreiben.
Fotos: André Kempner
Lesen Sie auch zum Thema
BVMW fordert Strategien für den Mittelstand
Die Unzufriedenheit ist nicht zu überhören. „Während Großkonzerne immer öfter mit Subventionspaketen in Milliardenhöhe nach Deutschland gelockt werden, gehen standorttreue Mittelständler häufig leer aus“, schimpft Patrick Paul, Leiter des Kreisverbandes Leipzig des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW).
Diese Artikel der LVZ könnten Sie auch interessieren...
Höhere CO2-Maut: Speditionen in Sachsen leiden unter Kostendruck
Die LVZ hat Spediteure in Sachsen gefragt, wie sie die Verkehrswende meistern. Die Antworten sind ernüchternd. Jetzt lesen auf lvz.de
Leipziger Wirtschaft skeptisch: Weniger IHK-Firmen wollen investieren
Ein erheblicher Teil der Firmen in der Region hat laut IHK-Umfrage notwendige Investitionen eingefroren. Die Gründe dafür seien fehlende Planbarkeit und Berechenbarkeit der Politik. Jetzt lesen auf lvz.de
Wirtschaftszeitung – Das Unternehmerblatt der Leipziger Volkszeitung wirtschaftszeitung@lvz.de; www.lvz.de
Sie möchten die Printausgabe der LVZ Wirtschaftszeitung erhalten? Einfach hier gratis abonnieren.
Diese Seite in meinen Sozialen Netzwerken teilen: