Mögliche Finanzkrise in Deutschland?
Rezession und Bankenbeben schüren Sorgen, warnt IWH-Präsident Reint E. Gropp und befürwortet Fusionen von Banken mit Sparkassen
Von Ulrich Milde
Reimt E. Gropp hat im Hof ein paar Tische und Stühle aufstellen lassen. „Bei schönem Wetter ist das mein Büro“, scherzt der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) im Gespräch mit der LVZ-Wirtschaftszeitung. Doch die Idylle trügt ein wenig. So hat sich die Konjunktur überraschend abgeschwächt, Deutschland steckt in der Rezession. Die möglichen Nachwirkungen des Banken-Bebens in den USA schweben wie eine Gewitterwolke über dem Himmel.
„Wir wissen es nicht“, antwortet der renommierte Ökonom auf die Frage, ob nach den Schieflagen der amerikanischen Kreditinstitute Silicon Valley Bank, Signature und First Rapid eine neuerliche Finanz- und Wirtschaftskrise droht wie anno 2008/09. Damals brach das Bruttoinlandsprodukt in der Bundesrepublik um 5,7 Prozent ein, in Sachsen verlief es mit einem Rückgang von 3,8 Prozent ein wenig glimpflicher. Die Silicon Valley Bank geriet in Probleme, als die Zinsen kletterten. Die US-Staatsanleihen - darin hatte das Institut viel Geld angelegt – fielen im Wert, zugleich mussten höhere Zinsen für die Einlagen gezahlt werden. Zudem gingen die Finanzierungen für Start-ups massiv zurück. Diese parkten ihr Kapital bei der Silicon Valley Bank. Es floss kein neues Geld mehr. „Daran ist die Bank gescheitert“, sagt Gropp, der seit 2014 dem IWH vorsteht.
Risiko ist breiter verteilt
Einige dieser Aspekte gelten nach Ansicht des 56-Jährigen für die Geldhäuser in Deutschland ebenso. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat schnell und kräftig die Zinsen erhöht. Mit der Folge, dass die Margen der Banken tendenziell sinken. Für Einlagen müssen sie Zinsen zahlen, auf der anderen Seite haben sie noch viele Kredite mit geringen Zinsen in den Büchern. Allerdings hätten sich viele von ihnen gegen die Zinswende abgesichert - bei anderen Instituten. „Das Risiko ist zwar nicht aus dem Finanzsystem verschwunden, aber breiter verteilt." Ein möglicher Kollaps wie bei der Silicon Valley Bank sei somit „eher unwahrscheinlich“.
Schwierigkeiten dürfte der US-Bankenmarkt durch Kredite in Gewerbeimmobilien bekommen. Nach Corona sind viele Arbeitnehmer im Homeoffice geblieben. Es wird schätzungsweise ein Drittel weniger Büroflächen benötigt. „Das führt zu einem dramatischen Verfall der Preise für Gewerbeimmobilien“, sagt der Professor. Aber „bei uns ist die Problematik kleiner“. Hierzulande würden Immobilien höchsten zu 80 Prozent des Wertes finanziert, in den USA seien es dagegen häufig mehr als 100 Prozent. Die deutschen Institute hätten hier also einen Puffer, gibt der gebürtige Nordrhein-Westfale (Teil-)Entwarnung.
Die Banken in Deutschland
Die Bankendichte in Deutschland ist hoch, obwohl sie in den letzten Jahren gesunken ist. Es gibt große Unterschiede in der Größe der Banken, von Groß- und Landesbanken bis hin zu mittleren und kleinen Banken. Die Banken können privatrechtlich, öffentlich-rechtlich oder genossenschaftlich organisiert sein. Die meisten Banken in Deutschland sind Universalbanken, die eine breite Palette an Dienstleistungen anbieten.
Von 1518 Banken in Deutschland zählen 1409 zu den Universalbanken. Das sind 264 Kreditbanken, 6 Landesbanken, 367 Sparkassen und 772 Kreditgenossenschaften.
Zu den 109 Spezialbanken zählen unter anderem 9 Realkreditinstitute, 18 Bausparkassen und 19 Banken mit Sonderaufgaben.
„Das Risiko ist zwar nicht aus dem Finanzsystem verschwunden, aber breiter verteilt.“
Reimt E. Gropp, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH)
Institute anfällig für Schocks
Um gleich einzuschränken: Finanzkrisen hätten, historisch betrachtet, „immer mit steigenden Zinsen begonnen“. So sei es 2008/09 gewesen, „jetzt gibt es schon Parallelen“. Folglich sei Deutschland „noch nicht am sicheren Ufer, da müssen wir erst das nächste Jahr abwarten“. Ohne Zweifel seien die deutschen Kreditinstitute heute besser aufgestellt als damals, hätten mehr Eigenkapital.
Dennoch sei noch nicht endgültig absehbar, wie sie den schnellen Zinsanstieg verkraften würden, ob es, auch angesichts der nachlassenden Konjunktur, Kreditausfälle geben werde. „Man sieht erst, wenn die Ebbe kommt, wer die ganze Zeit über ohne Badehose geschwommen ist“, zitiert der Wissenschaftler den US-Finanzinvestor Warren Buffett. Mahnend äußert sich auch die EZB. Europas Banken seien weiter anfällig für Schocks, heißt es im jüngsten Finanzstabilitätsbericht der Währungswächter.
Gewisse Sorgen bereitet dem Präsidenten die verhältnismäßig kleinteilige deutsche Bankenlandschaft. Es wäre wünschenswert, wenn es zu Fusionen käme, meint der Präsident. „Das könnte zu Effizienzgewinnen führen.“ Gerade für kleine Häuser seien die immensen IT-Aufwendungen in Verbund mit den hohen Kosten der staatlichen Regulierung kaum zu stemmen. Im Übrigen wäre es auch sinnvoll, wenn es zu sektorenübergreifenden Zusammenschlüssen kommen könnte, also Banken und Sparkassen miteinander fusionierten.
Institute anfällig für Schocks
Um gleich einzuschränken: Finanzkrisen hätten, historisch betrachtet, „immer mit steigenden Zinsen begonnen“. So sei es 2008/09 gewesen, „jetzt gibt es schon Parallelen“. Folglich sei Deutschland „noch nicht am sicheren Ufer, da müssen wir erst das nächste Jahr abwarten“. Ohne Zweifel seien die deutschen Kreditinstitute heute besser aufgestellt als damals, hätten mehr Eigenkapital.
Dennoch sei noch nicht endgültig absehbar, wie sie den schnellen Zinsanstieg verkraften würden, ob es, auch angesichts der nachlassenden Konjunktur, Kreditausfälle geben werde. „Man sieht erst, wenn die Ebbe kommt, wer die ganze Zeit über ohne Badehose geschwommen ist“, zitiert der Wissenschaftler den US-Finanzinvestor Warren Buffett. Mahnend äußert sich auch die EZB. Europas Banken seien weiter anfällig für Schocks, heißt es im jüngsten Finanzstabilitätsbericht der Währungswächter.
Gewisse Sorgen bereitet dem Präsidenten die verhältnismäßig kleinteilige deutsche Bankenlandschaft. Es wäre wünschenswert, wenn es zu Fusionen käme, meint der Präsident. „Das könnte zu Effizienzgewinnen führen.“ Gerade für kleine Häuser seien die immensen IT-Aufwendungen in Verbund mit den hohen Kosten der staatlichen Regulierung kaum zu stemmen. Im Übrigen wäre es auch sinnvoll, wenn es zu sektorenübergreifenden Zusammenschlüssen kommen könnte, also Banken und Sparkassen miteinander fusionierten.
Hausgemachte Unsicherheiten
Angesprochen auf die wirtschaftlichen Aussichten antwortet Gropp, dass die Bundesrepublik noch nicht unbedingt die Talsohle durchschritten habe. „Hausgemachte Unsicherheiten“ wie die Regierungskommunikation etwa bei dem Thema Heizung und Wärmepumpe führten zu Zurückhaltung beim Konsum. „Weil die Menschen nicht wissen, was auf sie zukommt, sparen sie lieber, um notfalls das Geld für die Wärmepumpe zu haben." Die Inflation komme obendrauf. Kritisch bewertet der IWH-Chef den Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck über einem günstigen Strompreis für energieintensive Industriebetriebe.
Während der Dresdner Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, kein Verständnis dafür zeigt, dass Handwerksbetriebe von der Vergünstigung nicht profitieren sollen, hat der Hallenser grundsätzliche Einwände. Subventionen des Strompreises konterkarierten das Ziel, Energie zu sparen, gibt Gropp zu bedenken. Wenn aber die Absicht umgesetzt werden solle, CO2-frei zu werden, „muss der Preis hoch bleiben, um Anreize zum Sparen und für neue, energiearme Produktionsmethoden zu geben“. Alles andere würde den Anpassungsprozess zu einer klimafreundlichen Wirtschaft nur „extrem verteuern“.
Spricht's, beendet die Unterhaltung mit der Wirtschaftszeitung und begrüßt zum nächsten Gespräch im Freiluft-Office einen seiner Mitarbeiter. Noch scheint die Sonne.
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Fotos: Adobe Stock/vegefox.com, FOTOWERK BF | Video: www.youtube.com/@deutschebundesbank/videos | Quelle: Deutsche Bundesbank Zentralbereich Ökonomische Bildung, Hochschule, Internationaler Zentralbankdialog; Stand: 1.1.2022
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