Hochspannung im Erzgebirge
Mennekes stellt nach Industriesteckern jetzt auch Ladekabel und Wallboxen her
Von Ulrich Milde
Unternehmer, die nur Dinge machen, von denen sie im Voraus wissen, wie sie laufen, steuern auf den Abgrund zu. So drückte das Jeff Bezos aus, der Gründer des Online-Giganten Amazon. Es braucht also Visionäre in der Wirtschaft, die erahnen, was in der Zukunft passieren könnte und volles Risiko gehen. Dazu zählt Walter Mennekes.
Der heute 75-Jährige formte aus einem kleinen Mittelständler in der sauerländischen Provinz eine Weltmarke. Die Mennekes Elektrotechnik GmbH & Co. KG hat Maßstäbe in der Elektromobilität gesetzt, den europaweit gültigen Ladestecker erfunden. Mit ihm werden alle Elektroautos in Europa geladen. Als „Mennekes-Stecker“ adelte ihn die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Stecker kommen aus Nordrhein-Westfalen – und aus dem Erzgebirge.
Walter Mennekes habe schon Anfang dieses Jahrtausends vorhergesagt, dass der Autoantrieb der Zukunft irgendwann elektrisch sein werde, erinnert sich Paulinus Pauly. Er ist seit 35 Jahren im Betrieb und seit inzwischen 18 Jahren Geschäftsführer der Mennekes-Tochterfirma in Sehmatal-Neudorf. „Er hat also sehr früh geahnt, wohin die Reise gehen wird“, sagt Pauly, „er hatte das richtige Näschen.“
Folglich hat das Unternehmen, das zuvor mit Industriesteckern groß geworden ist, die Visionen des Chefs umgesetzt, ist so auch Autozulieferer geworden. Bereits 2008 wurde der Ladestecker entworfen und sechs Jahre später zum EU-Standard erhoben. „Das hat uns große Erfolge beschert“, sagt Pauly. Der gebürtige Düsseldorfer ist sich sicher, dass die weiteren Aussichten der Firma gut sein werden. „Schließlich ist der Trend zum Elektroauto nicht mehr zu bremsen.“ Wie frühzeitig Mennekes auf die Elektroautos gesetzt hat, lässt sich an einem Beispiel verdeutlichen: Das erste E-Auto von BMW, der i3, rollte am 18. September 2013 von den Bändern des Leipziger Werks.
„Der Trend zum Elektroauto ist nicht mehr zu bremsen.“
Paulinus Pauly, Geschäftsführer der Mennekes-Tochterfirma in Sehmatal-Neudorf
Komplettlösungen für die E-Mobilität
Inzwischen machen die Ladekabel (Markenzeichen: Sie sind blau), Wallboxen und Ladeinlets für Elektroautos „rund 50 Prozent des Gesamtumsatzes aus“, berichtet Pauly. Das Elektromobilitätsgeschäft liegt gleichauf mit dem klassischen. Als Christopher Mennekes 2014 in dritter Generation die Geschäftsleitung von seinem Vater Walter übernahm, standen 450 Mitarbeiter auf den Gehaltslisten, der Umsatz lag bei 90 Millionen Euro. Heute sind über 1600 Menschen beschäftigt, die Umsätze betragen gut 300 Millionen Euro. Klares Ziel ist, mit der Elektromobilität noch weiter zu wachsen. Mit dem Joint Venture „chargecloud“ ist zum Beispiel die Abrechnung von Ladestrom möglich.
Groß geworden ist die Firma mit Hauptsitz in der 11 000 Einwohner zählenden Gemeinde Kirchhundem mit CEE-Drehstromsteckern. In Industriebetrieben, im Bergbau, in Häfen wie auf Campingplätzen, in Stadien und Messehallen, auf Flughäfen und Serverzentren – überall muss Strom unter harten Bedingungen sicher verteilt werden. Mennekes ist hier mit seinen Angeboten der Weltmarktführer.
Mennekes stellt sich vor
Das 1935 gegründete Familienunternehmen ist Hersteller von Industriesteckvorrichtungen und eMobility-Ladelösungen. Mennekes wird in dritter Familiengeneration geführt. Das Unternehmen ist mit Tochtergesellschaften und Vertretungen in über 90 Ländern aktiv. Rund 1.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten in den Unternehmen.
Erste Kontakte nach Sehmatal
Anfang der 1990er-Jahre gab es über die Treuhandanstalt den ersten Kontakt nach Sehmatal-Neudorf im Erzgebirge, die Zusammenarbeit begann. Die Firma Technoplast wurde 1880 gegründet, stellte zunächst unter anderem Knöpfe her. 1972 wurde die Technoplast in einen volkseigenen Betrieb umgewandelt, fertigte Kunststoffkomponenten für die Elektroindustrie, aber auch für den Trabi. „Ein cooles Auto“, findet Pauly. Doch nach der Wiedervereinigung brachen, wie bei so vielen Betrieben im Osten, bisherige Märkte und Kunden weg. „Die Produkte waren nicht mehr attraktiv.“ Mennekes legte ein überzeugendes Weiterführungskonzept vor, übernahm das Werk 1991 und sicherte zu, die damalige Stammbelegschaft von 60 Beschäftigten zu halten. Inzwischen sind im Erzgebirge, nahe der tschechischen Grenze, 200 Mitarbeiter tätig.
Die Nordrhein-Westfalen entwickelten den neuen Standort immer weiter, steckten, ungeachtet der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise, acht Millionen Euro in eine 3000 Quadratmeter große neue Produktionshalle, die 2009 eingeweiht wurde. Vor vier Jahren wurde sie um eine weiteres Gebäude ergänzt. Die Angestellten fertigen und montieren CEE-Steckvorrichtungen sowie intelligente E-Mobility-Lösungen. „Für den Einsatz rund um den Globus“, berichtet Pauly. Mennekes liefert seine Waren in 90 Länder.
Die Geschichte der Firma Mennekes startete 1935.
Aloys Mennekes gründete in seinem Elternhaus im Dorf Hofolpe, das zu Kirchhundem im Sauerland gehört, eine Elektroinstallationsfirma.
Zwei Jahre später mietete er einen Laden in Kirchhundem und belieferte von dort aus zunächst mit dem Motorrad, dann mit einem Opel P4 die Kunden. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges reparierte Aloys Mennekes zerstörte Stromleitungen und entwickelte einen elektrischen Feueranzünder. An Streichhölzern herrschte damals Mangel. Der „Glühauf“ kostete 9,90 Reichsmark, war an die Steckdose anschließbar und zündete so Zigaretten und Papier an. Das war das erste Patent des Unternehmens.
Wenig später wurden die ersten Stecker für verschiedene Zwecke hergestellt, der Betrieb wuchs. Als Aloys Mennekes 1976 starb, gab es bereits 250 Beschäftigte. Seine Söhne Dieter, der 2020 starb, und Walter hatten da die Firma bereits übernommen und setzten den Expansionskurs fort. Später erfolgte der Einstieg in die Elektromobiliät. Walter Mennekes, der 2014 die Geschäftsführung an seinen Sohn Christopher übergab, war mehrere Jahre lang Vorsitzender des Messe-Branchenverbandes Auma. Außerdem ist er Zweiter Vizepräsident von Bayern München.
Vom einfachen Laden des Elektroautos zu Hause über das Laden auf dem Firmen- oder Kundenparkplatz bis hin zum öffentlichen Laden – der Elektromobilitätspionier Menneckes bietet ein umfassendes Angebot an Ladelösungen.
Finanzkrise gemeistert
Bemerkenswert: Auch in der großen Finanz- und Wirtschaftskrise hielt das Unternehmen an den Ausbauplänen fest. „Es wurde ungeachtet der schwierigen Rahmenbedingungen weitergebaut“, sagt Pauly. Es habe auch keine Entlassungen gegeben. „Die Mitarbeiter sind ein wichtiges Kapital bei uns“, betont der Geschäftsführer, „sie kommen an erster Stelle.“ Niemand dürfe verloren gehen, laute die von Walter Mennekes vorgegebene Maxime.
Pauly erinnert sich noch an Zeiten, als im Erzgebirge wie in weiten Teilen Ostdeutschlands die Arbeitslosenquote über 20 Prozent betrug. „Meine erste Fahrt vom Sauerland ins Erzgebirge dauerte acht Stunden, ich kam abends an. Es war alles dunkel – bis auf ein Gebäude: das Arbeitsamt.“ Heute hat sich die Situation noch nicht ganz, aber fast ins Gegenteil verkehrt. Die Erwerbslosenquote beträgt rund vier Prozent.
„Wir sind froh, einen kleinen Teil zur Lösung beigetragen zu haben.“ Viele Menschen zogen nach der Wende in den Westen. Zwar gibt es nach Paulys Angaben auch Rückkehrer, doch die demografische Entwicklung mache seinem Werk schon zu schaffen. Folglich werde es tendenziell schwieriger, freie Stellen rasch wiederzubesetzen. Unter anderem durch Kooperationen mit Schulen versucht das Unternehmen gegenzusteuern. Zusätzliche Angebote für die Belegschaft wie ein Zuschuss zum E-Bike oder Freikarten für die Fußballspiele des FC Erzgebirge Aue, Vereinbarkeit von Familie und Beruf gehörten inzwischen zur Selbstverständlichkeit. Wo das nicht reicht, Personallücken zu schließen, kommt der Roboter zum Einsatz. „Er ist aus unseren Fabriken nicht mehr wegzudenken.“
Pauly sagt, Mennekes habe den Einstieg in Sachsen nie bereut. „Der Menschenschlag ähnelt dem im Sauerland. Bescheidene, rechtschaffene Leute, die gern und ordentlich ihre Arbeit machen.“ Der Geschäftsführer selbst ist dort mittlerweile tief verwurzelt, agiert ehrenamtlich für die regionale Wirtschaftsförderung als „Botschafter des Erzgebirges“.
Mennekes als Arbeitsgeber
In Sehmatal-Neudorf/Erzgebirge beschäftigt Mennekes Elektrotechnik Sachsen GmbH über 140 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im Video stellt das Unternehmen den Produktionsstandort in Sachsen vor.
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Wirtschaftszeitung – Das Unternehmerblatt der Leipziger Volkszeitung wirtschaftszeitung@lvz.de; www.lvz.de
Fotos und Videos: MENNEKES Elektrotechnik GmbH, Ulrich Milde
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