Umstrittene Energiegewinnung: Mit Fracking Abhängigkeit mindern
Fracking: Hoffnung oder Albtraum? Mohammed Amro, Professor für Geoströmungs-, Förder- und Speichertechnik an der TU Bergakademie Freiberg, wirbt für Fracking als „erprobtes und bewährtes Verfahren zur Energiegewinnung“
Von Ulrich Langer
Fracking in Deutschland – Hoffnung und Albtraum zugleich für Mohammed Amro. Denn diese „vielversprechende Technologie der Erdgasförderung ist hierzulande absolut verboten“. Seit 2017 „geht hier gar nichts mehr“, ärgert sich der Professor für Geoströmungs-, Förder- und Speichertechnik.
Als Direktor des Instituts für Bohrtechnik und Fluidbergbau der Technischen Universität Bergakademie Freiberg wurmt ihn dieser Umstand außerordentlich. „Diese Restriktion ist völlig irrsinnig“, schimpft der 62-Jährige in Hebron geborene Palästinenser. Deshalb wird er nicht müde, unablässig für dieses „erprobte und bewährte Verfahren zur Energiegewinnung“ zu werben, damit dessen Beschränkung in Deutschland „endlich wieder aufgehoben wird“. Erst dann werde sich sein Unmut in Luft auflösen, solch „wertvolles Gas, das in sehr dichtem, tonigem Gestein tief unter der Erde auch bei uns lagert, ungenutzt zu lassen“.
Mindestens 325 Frack (mind. 148 Bohrungen) wurden in Niedersachsen an Tight Gas- und konventionellen Lagerstätten bis 2012 durchgeführt
Was ist Fracking? Beim Fracking handelt es sich um eine spezielle Technologie der Erdgas- und Erdölförderung aus sehr dichtem, tonhaltigem Gestein. Lesen Sie mehr
Mit Fracking „Gasbedarf etwa 27 Jahre lang aus eigener Kraft decken“
Das ist schizophren aus seiner Sicht, wie er schon vor fast zehn Jahren in einem Beitrag der Leipziger Volkszeitung kritisierte. Bereits damals forderte er sehr vehement, „Fracking nicht zu verteufeln“, wie die Überschrift des Interviews lautete. Darin sagt er: „Wir sollten uns durch ein generelles Verbot nicht den Weg versperren, heimische Gas-Vorkommen bei Bedarf zu fördern.“ Seine Worte von 2014 hätten nichts an Aktualität und Brisanz verloren, meint der Wissenschaftler im Gespräch mit der Wirtschaftszeitung. Denn genau diese „verdeckte Vergeudung – sprich Nichtnutzung – ist momentan besorgniserregender als je zuvor“. Amro spielt dabei auf den russischen Krieg gegen die Ukraine an, der den weltweiten Energiemarkt kräftig durcheinandergewirbelt hat. „Die Lage ist äußerst angespannt. Gerade deshalb ist auf heimische Rohstoffe zurückzugreifen.“ Das helfe, Abhängigkeiten bei der Energieversorgung Deutschlands zu minimieren.
Amro wartet auch gleich mit konkreten Zahlen auf. „Schätzungsweise liegt das technisch förderbare Potenzial der Gaslagerstätten in Deutschland bei bis zu 2300 Milliarden Kubikmetern. Der Jahresverbrauch bei uns beträgt etwa 85 Milliarden Kubikmeter. Nach Adam Ries können wir also unseren Gasbedarf etwa 27 Jahre lang aus eigener Kraft decken.“ Es sei mehr als unverständlich, „diese Schätze nicht zu heben“, sagt der verheiratete Vater dreier Kinder und schüttelt den Kopf. Andere Länder der Welt würden es viel durchdachter und überzeugender angehen. „In den USA wird beispielsweise seit 1947 gefrackt, ohne Unterbrechung.“ In Großbritannien sei dieses Förderverfahren gerade wieder erlaubt worden.
Kältefracking – Neues Verfahren der TU verspricht mehr Sicherheit
Dessen Gegner führen verschiedene Argumente ins Feld, die Amro aber alle zu entkräften versucht. Vor einer angeblichen Grundwasserverunreinigung werde gewarnt. „Das ist falsch, denn die Bohrungen werden mit Stahlelementen druckgesichert und vollständig abgedichtet.“
Dann sei von Beben die Rede, die Fracking verursache. „Das ist einfach nicht bewiesen“, sagt der Freiberger Experte. Die Arbeiten fänden in einer Tiefe von 1000 bis 5000 Metern statt. „Die darüber liegenden Schichten dämpfen also Vibrationen enorm. Da ruckelt es in der Wohnung mehr, wenn eine Eisenbahn am Haus vorbeifährt.“ Schließlich fürchten manche, Methan-Gas könne unkontrolliert austreten oder unsaubere Flüssigkeiten könnten ins Grundwasser entweichen.
„Die schon genannten Stahlwände bei den Bohrungen und die dicken Erd-Deckschichten über der Lagerstätte wirken wie eine Barriere. Keine Gefahr also“, ist der Professor, der 2009 dem Ruf der Bergakademie folgte, überzeugt.
Bohranlage der Firma Herrenknecht
„Sich dies entgehen zu lassen, grenzt an eine Art von wirtschaftlichem Selbstmord.“
Mohammed Amro, Professor für Geoströmungs-, Förder- und Speichertechnik
Das sind verschiedene harte dichte Gesteine, in denen Frachkinggas lagern kann. Diese Schichten werden entsprechend mit Probebohrungen untersucht.
Und er weiß, wovon er spricht. Immerhin forscht er seither in Sachen Fracking. Unter seiner Ägide verteidigten bislang drei Promovenden erfolgreich ihre Dissertationen zu diesem Thema. „Leider haben wir unsere Tätigkeit auf diesem Gebiet inzwischen auf Eis legen müssen.
Es fehlen die Mittel dafür seit 2017“, ist Amro wenig erfreut. Zumal eine verheißungsvolle neue Version beim Fracking in seinem Institut kreiert wurde. „Wir haben dabei flüssigen Stickstoff eingesetzt. Dadurch muss kein Druck mehr aufgebaut werden im Erdreich. Kältefracking ist das Stichwort.“ Das verspreche noch mehr Sicherheit bei dieser Art des Bergbaus.
Unabhängigkeit und Versorgungssicherheit
Abgesehen davon, seien in Deutschland die seit Jahren für Bohrungen jeglicher Art geltenden Vorschriften des Bergamtes so streng, dass „mögliche Risiken faktisch ausgeschlossen sind“. Gerade deshalb sei das strikte Frackingverbot um so unverständlicher. Zugleich hält er die Dauer von etwa zwei Jahren für das ganze Genehmigungsprozedere für überzogen. Zudem gebe es genügend erfolgreiche positive Erfahrungen weltweit. Immerhin sei seit 1961 in Deutschland gefrackt worden – „bis 2012 waren es 500 Bohrungen. Dann gaben die Firmen auf, weil das Aus für diese Technologie bereits drohte.“
Das stimmt die 30 Mitarbeiter des Instituts der „Ressourcen-Universität – seit 1765“, wie sich die Bergakademie bezeichnet, mehr als traurig. Immerhin sehen sie einen riesigen Vorteil in den vorhandenen deutschen Vorkommen: in Sachsen-Anhalt, im Thüringer Becken, nahe der Halbinsel Usedom und in Niedersachsen. Gerade mit Blick auf die globale Versorgungssicherheit mit Energie sei die Hebung der Schätze von enormem Wert. Je mehr gefördert wird, „um so günstiger sind die Weltmarktpreise, die ja gerade in letzter Zeit kräftig in die Höhe geschossen sind“, gibt Amro zu bedenken. Einheimisches Gas zu nutzen, statt es zu importieren, „ist mehr denn je angesagt“.
Gefördert werde dann „nach unseren Vorstellungen, da kann uns nichts dazwischenkommen etwa durch Unwägbarkeiten andernorts. Insofern hat das eigene Gas sogar eine strategische Bedeutung, sich nämlich vom Ausland unabhängiger zu machen.“ Zudem sei der Gaspreis „durch uns selbst bestimmbar“. Und auch die Witterungsabhängigkeit bei der Energieversorgung sinke. Anders „wenn zum Beispiel Schiffe mit Flüssiggas LNG über die Meere fahren und bei Sturm stoppen müssen oder nicht durch den Suez-Kanal kommen, weil vielleicht wieder ein Tanker quer steht“.
Nicht zuletzt sieht Amro sogar einen ökologischen Vorzug beim einheimischen Fracking. „Bei LNG muss das Gas erst verflüssigt werden mittels Kompressoren, um es später wieder in Gas umzuwandeln. Das belastet die Umwelt mit CO2.“
Selbstredend bedinge auch der Transport über die Ozeane den Ausstoß des schädlichen Kohlendioxids. Und das, so Amro, „obwohl Fracking eine wissenschaftlich fundierte Technologie darstellt. Wir sollten sofort wieder beginnen mit dieser Art der Förderung von Energierohstoffen.
Die USA haben längst bewiesen, dass sie sich damit von Importen unabhängig gemacht haben.“ Auf die Vereinigten Staaten „entfallen derzeit 23 Prozent der weltweiten Gasproduktion, sie exportieren inzwischen“. Es rechne sich also zu fracken. „Sich dies entgehen zu lassen, grenzt an eine Art von wirtschaftlichem Selbstmord.“ Also fehle jeglicher Grund, Fracking zu verteufeln, „wie ich bereits vor neun Jahren in der LVZ feststellte“.
Bohranlage der Firma Herrenknecht
Wirtschaftszeitung – Das Unternehmerblatt der Leipziger Volkszeitung wirtschaftszeitung@lvz.de; www.lvz.de
Fotos: Adobe Stock; Ulrich Langer; Herrenknecht, Grafik: Christiane Kunze Quelle: Umweltbundesamt
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